Iro­nisch rui­nen­haft

Das Museum für Gestaltung in Zürich feierte Anfang November 2011 den 80. Geburtstag des Gestalters und Architekten Robert Haussmann mit einer Abendveranstaltung. Den Effort einer kleinen Ausstellung zum Zürcher Gestalterehepaar Trix und Robert Haussmann haben dagegen zwei junge Kunsthistoriker in ihrem Schauraum «Studiolo» in Zürich Witikon unternommen.

Publikationsdatum
22-03-2012
Revision
01-09-2015

Bei Trix und Robert Haussmann ist die Säulenhalle nicht mehr zum philosophischen Wandeln da, sondern zum modischen. Die vom Architektenpaar ausgestattete Herrenboutique Weinberg an der Bahnhofstrasse 13 in Zürich wird zwar noch symbolisch von Säulen getragen. Die eigentliche Funktion dieser Krücken der Architekturgeschichte ist aber das Display von Herrenschuhen und Ähnlichem – in Nischen, die durch die partielle Dekonstruktion der Säulen entstanden sind. «Störung der Form durch die Funktion» nennen die Haussmanns das bei einem ihrer sogenannten Lehrstücke von 1977: einer anderen Säule, die Schubladen versteckt und bei der «der angemessene Gebrauch die Form stört».
Die durch die Funktion dekonstruierte Säule ist ein Paradebeispiel für die Herangehens-
weise des seit 1967 zusammenarbeitenden Gestalterpaars. Und obwohl gerade in Zürich einige weitere Paradebeispiele – die Da-Capo-Bar im Hauptbahnhof oder die Kronenhalle-Bar am Bellevueplatz – permanent zu besichtigen sind, lohnt sich bei einer solch dezidierten und durchdachten Haltung immer wieder auch eine vertiefende Beschäftigung. Den 80. Geburtstag von Robert Haussmann am 23. Oktober 2011 haben nun die beiden angehenden Kunsthistoriker Fredi Fischli und Niels Olsen zum Anlass genommen, das Werk der beiden – und seine theoretische Unterfütterung – in ihrem Ausstellungsraum Studiolo in Zürich Witikon zu thematisieren. Im ehemaligen Atelier der Künstlerin Marianne Olsen – erbaut von Georg Gisel – zeigen die beiden sonst primär Kunstausstellungen. Da aber gerade junge Künstler heute nicht selten an der Schnittstelle zum Möbeldesign arbeiten, fügt sich eine Haussmann-Schau gut ins Programm des Studiolos ein. 

Sprach- und Massstabsspiele

Titelgebend für die Ausstellung und prominent in Vergrösserungen an der Wand gezeigt ist die sogenannte «log-O-rithmic slide rule», die Trix und Robert Haussmann 1980 anlässlich einer Schau zu ihrem «kritischen Manierismus» im Centro Culturale Studio Marconi in Mailand entwickelten. Es handelt sich dabei um eine Liste mit 100 Adverbien, die an einer Liste von 100 Adjektiven – die alle einen gewissen Bezug zu Architektur haben – rauf- und runtergeschoben werden kann. Das ergibt dann seltsame Kombinationen wie «subversiv banal», oder «unkommerziell vegetativ» – Begriffspaare, die einerseits im Entwurfsprozess produktiv wirken können, aber andererseits nicht selten auch die Arbeit der Haussmanns selbst beschreiben: «ironisch ruinenhaft» etwa trifft gut auf die Arbeiten mit Säulen zu, bei denen das ruinenhaft Dekonstruierte eben wiederum dazu dient, Schuhe zu präsentieren.
Auch die Gegensatzpaare, die in diesem Sprachspiel entstehen können, sind bezeichnend für die gestalterische Strategie: Im Studiolo ist etwa ein Modell des bekannten Haussmann-Spiegelschranks von 1979/80 aus der Sammlung des Museums für Gestaltung zu sehen, der illusionistisch von einem gestreiften, geknoteten Tuch aus Holzintarsien umhüllt wird. Spielt schon hier der Gegensatz zwischen weichem Stoff und hartem Material, wird die Gegensatzspirale in einer neuen Wandarbeit noch beschleunigt. Hier sieht man denselben Schrank, wie er in der New Yorker Skyline den Platz des Sekretariatshochhauses des UN-Hauptquartiers eingenommen hat. Gedruckt ist die Fotocollage wiederum auf Stoff. Das geknotete Tuch hat also hier wieder die Materialität bekommen, die es nie hatte, aber eigentlich hätte haben müssen. Und die Massstäblichkeit des Schranks kommt einem hiermit definitiv abhanden. 
Ergänzt werden diese Exponate durch fragmentierte Spiegelobjekte und Schautische, die Fotografien der «Lehrstücke» enthalten –darunter eben die Säule, die bei jedem Gebrauch zur Ruine wird, oder ein Arbeitstisch, der die Form eines Torbogens hat und vorgibt, aus Marmor zu sein. Oder der bekannte «Musikstuhl», dessen Saiten an der Rückenlehne tatsächlich gespielt werden können, wie eine kleine Fotostrecke beweist. «Genialisch musikalisch» sind die Haussmanns eben auch noch, neben all den anderen fantastischen Beschreibungskombinationen, die ihr «log-O-rithmic slide rule» ausspuckt. 

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