In­ter­pel­la­ti­on zur Tief­preis­po­li­tik

Öffentliches Vergabewesen in der Kritik

Ständerat Olivier Français hat mit Unterstützung diverser Ratskollegen eine Interpellation zur grassierenden Tiefpreisproblematik bei öffentlichen Planeraufträgen eingereicht. SIA und usic begrüssen, dass die Politik das Thema Dumpingpreise endlich aufgreift.

Publikationsdatum
28-07-2016
Revision
28-07-2016

Die Vergabe von Planerleistungen ist vor allem im Grosstiefbau von einer besorgniserregenden Tiefpreisspirale begleitet. Die angebotenen durchschnittlichen Zeitmittelwerte für Planerhonorare erreichen teils Werte, mit denen ein nachhaltiges, auskömmliches Wirtschaften nicht mehr möglich ist. Dadurch verstärkt sich der Trend, dass Unternehmen Arbeitsplätze ins günstigere Ausland verlagern. Aber auch die natio­nale Nachwuchskette ist gefährdet, da die Attraktivität der Planerberufe unter der Tiefpreispraxis leidet.

In der Branche ist das Problem seit Jahren bekannt. Die geltende Rechtslage verbietet es den Verbänden und Marktteilnehmern jedoch, effektive Massnahmen gegen diese Entwicklung zu ergreifen. Die Politik hat sich bisher kaum des Problems angenommen. Jetzt aber hat Ständerat Olivier Français (FDP/VD) eine Interpellation eingereicht, die das Thema endlich aufgreift (vgl. unten stehender Text der Interpellation).

Die respektable Liste der Mitunterzeichnenden lässt keinen Zweifel daran, dass sein Anliegen auch im Ständerat parteiübergreifende Unterstützung findet. Besonders erfreulich ist, dass der für das Präsidium von bauenschweiz nominierte Ständerat Hans Wicki (FDP/NW) die Interpellation ebenfalls unterzeichnet hat. Somit ist zu erwarten und zu hoffen, dass das Thema in Zukunft stärkere Beachtung in der nationalen Politik finden wird.


Dienst­leistungen − zu welchem Preis?

Heute ist unbestritten, dass auch auf dem Markt für Dienstleistungen Wettbewerb herrschen soll, doch ist hier bislang der Preis praktisch das einzige Auswahkriterium. (...) «Die Planungsbranche versucht zwar, bei der Vergabe von Ingenieurleistungen gegen Dumpingpreise anzukämpfen, doch müssen wir feststellen, dass sich die Situation in den letzten Jahren stark verschlechtert hat, vor allem im Bereich grosser Projekte im Hoch- und Tiefbau. Für die freihändige Vergabe von Inge­nieurleistungen empfiehlt die Ko­ordinationskonferenz der Bau- und Liegenschaftsorgane der öffentlichen Bauherren (KBOB) einen Tarif von circa 160 Franken pro Stunde. Es ist anerkannt, dass Stundenansätze unterhalb von 110 Franken, die bei öffentlichen Ausschreibungen angeboten werden, für Ingenieurbüros wirtschaftlich nicht verkraftbar sind und innerhalb der Branche zunehmend Probleme verursachen. (…)

Es gibt Leute, die vermuten, dass die Bundesbetriebe intern mit einem Stundenansatz für Ingenieurleistungen rechnen, der deutlich über jenem der Privatwirtschaft liegt, was zu Wettbewerbsverzerrungen führt. Diese Vermutung wird gestützt durch die Tatsache, dass immer mehr erfahrene Ingenieurinnen und Ingenieure den Privatsektor verlassen und sich von staatlichen Unternehmen anheuern lassen, in denen sie namentlich von höheren Löhnen und günstigeren Sozialleistungen profitieren.

Ich stelle dem Bundesrat folgende Fragen:

Zu welchem Stundenansatz haben die Bundesstellen in den letzten zwei Jahren Ingenieur- und Planungsleistungen im offenen Ausschreibungsverfahren vergeben?
Zu welchem Stundenansatz haben die Unternehmen des Bundes in den letzten zwei Jahren ihre Ingenieur- und Planungsleistungen den Kantonen, Gemeinden und Dritten verrechnet, und nach welchen internen Stundenansätzen sind diese Dienstleistungen als effektive Kosten berechnet worden?
Demnächst ist die Totalrevision des Bundesgesetzes über das öffentliche Beschaffungswesen zu erwarten. Was unternimmt der Bundesrat, damit in diesem neuen Gesetz ein Unterschied gemacht wird zwischen der Beschaffung von intellektuellen Dienstleistungen und der Beschaffung von Gütern? Und was unternimmt er, damit künftig von Gesetzes wegen offenkundig zu tiefe Preisangebote für intellektuelle Dienstleistungen vom Vergabeprozess ausgeschlossen sind?»
 
Auszüge aus: Olivier Français (FDP): Interpellation zur öffentlichen Beschaffungspolitik, eingereicht im Ständerat am 16.6.2016

Verwandte Beiträge