Im­mer mehr Zweit­woh­nungs­ge­mein­den

In fast jeder fünften Schweizer Gemeinde ist der Bau von Ferienwohnungen verboten. Seit Annahme der nationalen Zweitwohnungsinitiative hat die Zahl der Gemeinden mit zu hohem Anteil um über 10% zugenommen. Und immer noch muss das Bundesgericht gegen neue Bauprojekte entscheiden.

Publikationsdatum
26-04-2017
Revision
27-04-2017

Das Bundesamt für Raumentwicklung (ARE) veröffentlicht zum ersten Mal, wie viele Gemeinden vom Bauverbot für neue Ferienwohnungen betroffen sind. Diese Zahlen sind genauer als je zuvor. Alle 2255 Schweizer Gemeinden mussten dafür Angaben aus ihren Wohnungsinventaren abliefern. Demnach weist fast ein Fünftel, nämlich 422 politische Gemeinden, einen Zweitwohnungsanteil von über 20% auf. Bisher hat der Bund die Zweitwohnungsanteile weniger detailliert berechnet; das bisherige Ergebnis ist eine Gemeindeliste im Anhang der Zweitwohnungsverordnung vom 4. Dezember 2015.

Die nun aktualisierten Inventare ergeben, gemäss ARE-Mitteilung, ein nach oben korrigiertes Bild: 66 Gemeinden weisen neu einen Zweitwohnungsanteil von über 20% auf; in 21 Gemeinden ist der Anteil unter diese Schwelle gesunken. Grundsätzlich ist das Erstellen von zusätzlichen Zweitwohnungen in Gemeinden ab einem 20%-Anteil verboten, schreibt das aus der Volksinitiative abgeleitete Bundesgesetz vom 20. März 2015 vor. Künftig müssen die kommunalen Wohnungsinventare jährlich aktualisiert und jeweils Ende März für das laufende Jahr publiziert werden.

Nachvollzug von Gemeindefusionen

Als detaillierte Berechnungsgrundlage soll das eidgenössische Gebäude- und Wohnungsregister (GWR) dienen. Dieses wird meistens von den Gemeinden geführt und erlaubt eine zuverlässige Ermittlung der Erstwohnungen, wie von Bund und Kantonen vereinbart. Zum einen lässt sich dies mit dem Einwohnerregister abgleichen. Zum anderen dürfen Gemeinden mit kritischem Anteil diejenigen Wohntypen mitzählen, die einer Erstwohnung gleichgestellt sind. Unter diese Kategorie fallen beispielsweise Dienstwohnungen für die Gastronomie, temporär zu Arztpraxen umgewandelte Wohnungen oder auch Alphütten, die weiterhin einem landwirtschaftlichen Zweck dienen respektive nicht ganzjährig zugänglich sind.

Zwar tauchen Namen bekannter Destinationen wie Crans-Montana, Goms oder Obersaxen auf der neuen ARE-Zweitwohnungsliste auf, doch handelt es dabei sich nicht um eigentliche Neueinträge, sondern um den Nachvollzug jüngerer Gemeindefusionen. Sowohl im Wallis als auch im Bündnerland haben sich jeweils einzelne Gemeinden zusammengeschlossen, wobei deren Zweitwohnungsanteile bereits zuvor über 20% lagen. Dennoch ist die Zahl der erstmals verzeichneten Zweitwohnungsgemeinden in den Ferienkantonen Wallis und Graubünden besonders gross.

 Hinweis auf Abwanderung

Die neue Wohnungsstatistik des Bundes verrät allerdings ebenso, welche Regionen strukturarm und von Abwanderung betroffen sind. Im Jura sind vier Gemeinden neu auf der Liste; in der Waadt sind sogar 16 über die 20%-Schwelle gerutscht. Die meisten sind Kleinstgemeinden und befinden sich im Hinterland. Beispielhaft ist auch das Urnerland: Zwar sind nur Andermatt und Seelisberg als Feriendestinationen einschlägig bekannt. Tatsächlich liegt der Zweitwohnungsanteil in beiden Gemeinden über 20%. Im neuen Inventar kommen Sisikon und Unterschächen dazu. Letztere leidet seit Jahren unter Bevölkerungsschwund. Zudem haben die Bautätigkeiten in dieser Randregion zuletzt deutlich abgenommen.

Bewilligung in Obersaxen GR aufgehoben

Gegen das drohende Bauverbot können aber alle Gemeinden in der Schweiz, die auf der neuen ARE-Inventarliste stehen, innert 30 Tagen Einspruch erheben. Allerdings erwartet der Bund, dass die kommunalen Angaben zur Wohnungsnutzung im Sinn der Verordnung präzisiert werden können. Schon Anfang Mai will der Bund den Geltungsbereich des Zweitwohnungsgesetzes definitiv klären. Brisant ist jedoch wie lasch das Bauverbot in Einzelfällen bislang gehandhabt wird.

Anfang April hat das Bundesgericht ein endgültiges Veto gegen den Ersatzneubau eines Hotels in Obersaxen eingelegt (BG 1C_382/2016). Ein Grundeigentümer plante ausserhalb der Bauzonen ein grösseres Ferienappartementhaus. Kanton und Standortgemeinde hatten die Baubewilligung für das Zweitwohnungsobjekt erteilt. Die Bundesrichter hoben diese auf, weil die bauliche Erweiterung zu umfangreich ausgefallen wäre. Beschwerde gegen das Projekt in Obersaxen hatte die Umweltorganisation Pro Natura eingereicht.

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