«Ich war 17 Jah­re Po­li­zei­of­fi­zier»

Wie es dazu kam, dass er als Bauingenieur während mehrerer Jahre auch noch die Antiterroreinheit der Stadtpolizei leitete: Dies und Vieles mehr zu seinem bewegten Leben erzählte Hans Rudolf Wymann bei einem Besuch in der Dienstabteilung Verkehr des Stadtzürcher Polizeidepartements.

Publikationsdatum
17-08-2012
Revision
25-08-2015

TEC21: Was ist an Ihrem Berufsweg ungewöhnlich, und wie kam es dazu?
Rudolf Wymann:
Aussergewöhnlich ist wahrscheinlich, dass nicht jeder Bauingenieur rückblickend sagen kann, er sei 17 Jahre Polizeioffizier gewesen. Nach meinem Studium an der ETH Zürich habe ich von 1972 an zunächst 14 Jahre auf dem Stadtplanungsamt in Bern gearbeitet, wo ich während des Studiums ein Praktikum absolviert hatte. Irgendwann kam der Wunsch auf, vertieft in der Ausführung tätig zu sein. Bei der Stadtpolizei Zürich, Abteilung für Verkehr, wurde zu dieser Zeit eine Stelle frei, auf die ich mich bewarb. Sicher kam mir bei der Wahl zugute, dass ich beim Militär eine Ausbildung zum Kompaniekommandanten gemacht habe. 

Inwieweit hat sich Ihre Arbeit von der vorherigen Stelle unterschieden?
R. W.:
Die fachtechnische Arbeit war grundsätzlich nicht anders. Völlig neu hingegen war das polizeiliche Wissen und Können. Ich übernahm direkt eine Führungsaufgabe als Polizeikommissar, bildete mich intern weiter und absolvierte die ganze Ausbildung  auf Offiziersstufe. Irgendwann kam es soweit, dass ich als Bauingenieur Polizeiausbildner für Taktik war – wer hätte das gedacht  

Hatte die neue Zugehörigkeit zur Polizei noch andere Auswirkungen auf Ihre berufliche Laufbahn?
R. W.:
Auf jeden Fall: Wie die Jungfrau zum Kind kam ich zum Beispiel zur Antiterroreinheit. Das lag auch daran, dass ich durch meine Zugehörigkeit zur Genietruppe beim Militär eine Sprengausbildung absolviert hatte. Zunächst ging es nur um die Stellvertretung des Chefs der Antiterroreinheit. Nachdem ich dieses Amt während eines Jahres sporadisch übernommen hatte, wurde ich gebeten, die Leitung der Antiterroreinheit zu übernehmen, wobei die Ausbildung der Mitglieder von professionellen Instruktoren durchgeführt wurde. Ich habe allerdings auch oft mitgemacht: Abseilen von hohen Gebäuden oder aus dem Helikopter, Ausbildung an verschiedenen Waffen. Als Polizeioffizier muss man sich auch für polizeiliche Einsätze bereithalten. Meine Erfahrungen aus den vielen Fronteinsätzen wie Demonstrationen, Häuserräumungen oder bei internationalen Fussballspielen gehören zu den weniger erfreulichen Erinnerungen dieser Zeit.  

Nach 17 Jahren war Schluss. Aus der Abteilung Verkehr der Stadtpolizei wurde 2003 die selbstständige Dienstabteilung Verkehr des Polizeidepartements. Was hiess das für Sie?
R. W.:
Für die Angehörigen der Abteilung hiess das, dass wir wieder in den zivilen Status übergeführt wurden. Waffen und Uniform haben wir abgegeben. Ich persönlich habe während der dreizehnmonatigen Übergangszeit die Abteilung interimistisch geführt und dabei festgestellt, dass ich mich lieber auf das Fachliche konzentriere. Die Direktorenstelle habe ich gar nicht angestrebt; ich zog es vor, wieder einen Bereich zu leiten und an der Front zu arbeiten. So, dass ich sehen kann, welche Ideen umgesetzt werden. Der heutige Direktor hatte bei seinem Stellenantritt, wie zahlreiche Mitarbeitende in der Dienstabteilung Verkehr übrigens auch, nur wenig Bezug zu Verkehrsthemen, speziell zum Verkehrsmanagement. Er als ausgebildeter Maschineningenieur hat sich aber sehr rasch in das für ihn fachfremde Gebiet eingearbeitet und wirkt heute erfolgreich als Verkehrsfachmann. 

Der Bereich, dem Sie heute vorstehen, nennt sich «Analyse und Planung». Was sind Ihre Aufgaben?
R. W.:
Unsere Hauptaufgabe ist es, Bauprojekte, die den Verkehr beeinflussen, hinsichtlich ihrer Auswirkungen zu beurteilen. Wir arbeiten dabei eng mit unseren Berufskollegen aus dem Tiefbauamt, den Verkehrsbetrieben der Stadt Zürich, dem Amt für Städtebau, der Stadtentwicklung und weiteren Dienststellen der Stadtverwaltung zusammen. Kurz vor meiner Pensionierung beschäftigten mich noch zwei Projekte ganz besonders: die Verkehrsorganisation im Kreis 5 und die Bemühungen, die Langstrasse vom Durchgangsverkehr zu befreien. Da ich seit je mit dem Velo unterwegs bin, habe ich mich auch besonders für die Velofahrenden und die Verkehrsberuhigung im Allgemeinen eingesetzt –  soweit dies möglich ist, wenn man den Gesamtverkehr im Auge behalten muss. Vor 24 Jahren habe ich zum Beispiel die abteilungsinterne Velokommission ins Leben gerufen. Die ebenfalls abteilungsinterne Fussgängerschutzkommission liegt mir auch sehr am Herzen, und bei der Umsetzung der Tempo-30-Zonen in Zürich war ich Gesamtprojektleiter. Nach meiner Pensionierung behalte ich mein Mandat beim VSS weiterhin und arbeite an Fragen der Verkehrsforschung und Verkehrstechnik mit. Die Freude am Verkehr habe ich nicht verloren. Er fasziniert mich nach wie vor. Es war eine vielseitige Aufgabe mit einer Menge an Kontakten zu interessanten Personen.  

Sie sind während Ihrer beruflichen Laufbahn Ihrem Beruf treu geblieben, haben aber einen sehr intensiven Nebenberuf gewählt. 
R. W.:
So kann man es zusammenfassen. Der Tätigkeit als Verkehrsingenieur bin ich unter der Woche nachgegangen. Während einiger Wochen und Wochenenden war ich für die Polizei im Einsatz. Das hat sicher Spass gemacht, war aber auch sehr belastend. Wenn ich an meine Treffen mit ehemaligen Studienkollegen oder mit Kameraden der Genietruppen denke, hörte ich immer wieder: «Nein, der arbeitet nicht mehr als Bauingenieur.» An einen Piloten und einen Berufsmusiker erinnere ich mich spontan. Beide haben offenbar ihre wahre Leidenschaft zum Beruf gemacht.

Sie gingen im Mai 2010 in Pension. Was möchten Sie den vielen jungen Ingenieurinnen und Ingenieuren mit auf den Weg geben?
R. W.:
Das Wichtigste ist, dass man Freude an dem hat, was man macht.

Tags

Verwandte Beiträge