Holz und Be­ton ele­gant kom­po­niert

In Schwäbisch Gmünd erstellten Graf Ingenieure zwei neuartige integrale Holz-Beton-Verbundbrücken (HBV) für die Landesgartenschau 2014. Ihr Merkmal sind die gewölbten Brettschichtholzträger, die mit Stahlbetonfahrbahn und -widerlagern ein Rahmentragwerk bilden.

Publikationsdatum
11-06-2014
Revision
18-10-2015

In Schwäbisch Gmünd (Baden-Württemberg) findet dieses Jahr die Landesgartenschau 20141 statt. Die Planung der verantwortlichen Landschaftsarchitekten A24 aus Berlin umfasst unter anderem zwei neue Brücken über die Rems. Diese Bauwerke sind Anfang 2013 als innovative, 26 und 28m lange Fussgänger- und Radwegbrücken in HBV-Bauweise fertiggestellt worden. Sie wurden erstmalig als integrale Bauwerke ohne Fugen und Lager konzipiert. Durch die integrale Bauweise stellt sich ein spezifischer Beanspruchungszustand ein, auf den die Architektur der HBV-Brücke durch gezielten Einsatz der Materialien reagiert. Zudem ermöglicht diese Bauweise schlanke, ästhetische und dauerhafte Holzbrücken, die den Vergleich mit den filigranen Stahl- und Stahlbetonbrücken, vor allem im urbanen Umfeld, nicht zu scheuen brauchen. 

Bauweise mit Tradition

Verbundbauweisen im Holzbau sind seit dem Mittelalter als Holz-Holz-Verbundträger durch das Prinzip des Versatzes und die Verwendung von Hartholzdübeln bekannt. Diese Verhinderung der gegenseitigen horizontalen Verschiebung der Einzelträger in der Kontaktfuge der Träger erhöht die Tragfähigkeit und die Steifigkeit, wodurch grosse Lasten stützenfrei abgetragen werden konnten. Dieses Prinzip des Schubverbunds wurde mit der HBV-Bauweise seit den 1930er-Jahren für Deckenkonstruktionen und im Brückenbau in den USA angewendet. In Europa sind HBV-Brücken, ausgehend von der Schweiz, erst seit Anfang der 1990er-Jahre als Fussgänger-, Radweg- und Strassenverkehrsbrücken erstellt worden. Die HBV-Brücken von Schwäbisch Gmünd zeigen das hohe konstruktive und ästhetische Potenzial dieser noch jungen Bauweise. 

Die HBV-Brücken der Landesgartenschau 2014

Die Brücken im innerstädtischen Raum können nicht nur über- sondern auch unterquert werden, daher musste neben der Brückenoberseite auch die Untersicht mit Sorgfalt entworfen werden. Diese Anforderung und der naturnahe Bezug zur Landesgartenschau führten dazu, Holz als Baustoff zu verwenden.

Die beiden Entwürfe hatten schlanke und elegante Brücken aus Holz zum Ziel. Mit niedrigen, aber breiten blockverleimten Brettschichtholzträgern, schubfestem Verbund von Holz und Beton und der Ausführung als integrale Bauwerke wurde dieses Ziel erreicht. 

Die Holzträger der beiden HBV-Brücken bestehen aus heimischem Fichtenholz. Im ersten Schritt wurden 14 gleiche, 20cm breite und 60cm hohe Brettschichtholzträger gefertigt, aus denen im zweiten Schritt ein bis zu 2.80m breiter und bis zu 22m langer blockverleimter Brettschichtholzträger (Blockträger) zusammengefügt wurde. 

Für die Herstellung der schubfesten Verbindungen wurden 4cm tiefe Kerven2 quer zur Blockträgerlängsachse gefräst und beim Betonieren der Fahrbahnplatte mit Ortbeton formschlüssig vergossen. Dadurch erhöht sich die Biegetragfähigkeit des Verbundquerschnitts gegenüber der Summe der Biegetragfähigkeiten der Einzelquerschnitte, weil die globalen Biegemomente in Längsdruckkräfte im Beton und in Längszugkräfte und lokale Biegebeanspruchungen im Holz aufgeteilt werden. Der breite Blockträger eignet sich dabei gut zur Einleitung grosser Schubkräfte und zur Abtragung der Längszugkräfte. Die durch die schubfesten Verbindungen erhöhten Überbaubiegesteifigkeiten verbessern, neben der Erhöhung der Schlankheit, das Schwingungsverhalten der Brücken.

Schlankheit und Schwingungsverhalten werden zudem durch die monolithischen Verbindungen der Überbauten mit den 45cm starken, winkelstützenartigen Widerlagerwänden positiv beeinflusst. Es entstehen als integrale Brücken bezeichnete Rahmentragwerke ohne Fugen und Lager. Bei Rahmentragwerken ergeben sich Einspannmomente in den Rahmenecken und Feldmomente zwischen den Momentennullpunkten. Dadurch werden die maximalen Biegebeanspruchungen auf ca. 70% gegenüber den Biegebeanspruchungen eines von Widerlager zu Widerlager spannenden Einfeldträgers reduziert, sodass dünnere Überbauten realisiert werden können. Gegenüber den für Holzbrücken üblichen Einfeldträgersystemen ist die Schlankheit der HBV-Brücken signifikant besser: Bei Brückenlängen von bis zu 28m ergeben sich Schlankheiten im Feld von hges/L = 0.8/28 = 1/35, in den Einspannbereichen sogar von 1/70. Integrale Bauwerke bieten ausserdem den Vorteil, dass Wartungsfugen und somit Folgekosten beim Betrieb der Brücken entfallen.

Konstruktiver Entwurf

Schlanke Überbauten zu entwerfen reicht allein nicht aus, um elegante Brücken zu bauen. Vielmehr müssen Brücken unter Beachtung des materialgerechten Einsatzes von Werkstoffen konstruktiv entworfen werden. Als Tragstruktur liegt ein Rahmentragwerk vor, bei dem Einspannmomente an den Widerlagern und Feldmomente zwischen den Momentennullpunkten entstehen. Je höher die Momente, desto grösser sind die erforderlichen Querschnitte zur Aufnahme der Beanspruchungen. Der Brückenlängsschnitt wird daher entsprechend dem Momentenverlauf des Rahmentragwerks entworfen. In den Momentennullpunkten sind fast nur Querkräfte zu übertragen, sodass an diesen Stellen der Querschnitt deutlich verjüngt werden kann.

Entsprechend den Beanspruchungen im Querschnitt wird werkstoffgerecht der druckfeste Beton im Biegedruckbereich des Überbaus eingesetzt, der Baustoff Holz im geschützten Biegezugbereich. Der geschützte Biegezugbereich tritt zwischen den Momentennullpunkten des Rahmentragwerks ca. 3m von den Widerlagerwänden entfernt auf. Nur in diesem Bereich ist der Einsatz des Werkstoffs Holz gerechtfertigt. Der unter der 20cm dicken Betonfahrbahn liegende, 60cm hohe Blockträger aus Fichte GL 32c wird in Längsrichtung entsprechend der zur Trägermitte anwachsenden Zugbeanspruchung abgestuft. So folgen die Stufungen der Blockträger beanspruchungsabhängig dem parabelförmigen Momentenverlauf. Aufwendige Auflagerkonstruktionen des Blockträgers wurden durch die indirekte Lagerung vermieden, und aufgrund der allseitigen Luftzirkulation ist der Holzquerschnitt dauerhaft vor übermässigen Feuchtigkeitseinflüssen geschützt. In den letzten 15 Monaten hat sich gezeigt, dass die Holzfeuchtigkeiten an den Blockträgeroberflächen lediglich bei 12 bis 14% liegen.

In den Einspannbereichen des Überbaus in die Widerlagerwände wird nicht Holz, sondern Stahlbeton eingesetzt, da dort Biegezugbeanspruchungen auf der Oberseite auftreten. Der Beanspruchung entsprechend bestehen die Einspannbereiche aus 40cm dicken Stahlbetonplatten. Im Übergang der Stahlbetonplatte zum Verbundträger verringert sich die Dicke der Betonfahrbahn von 40cm auf die dann druckbeanspruchte 20cm starke Betonplatte.

Die Querkraftabtragung bei Holz-Beton-Verbundbauwerken wird vereinfacht dem Holzquerschnitt zugewiesen. Die Querkräfte an den Blockträgerenden werden mithilfe der eingeklebten Bewehrungsstäbe in die 20cm starke Stahlbetonplatte eingeleitet und über die mit Schubbügeln bewehrten 40cm hohen Stahlbetonplatten in den Einspannbereichen zu den Widerlagerwandscheiben geführt. Die in die Kerven eingeklebten Bewehrungsstäbe nehmen die Umlenkkräfte aus dem Schubverbund und die Querzugkräfte aus der Überbaukrümmung auf.3

Bauvorgang

Die im Aufriss gekrümmten und in Längs- und Querrichtung gestuften Blockträger mit max. 22m Länge und max. 2.80m Breite sowie 60cm Höhe wurden im Werk hergestellt und nach Fertigstellung der Brückenfundamente und Widerlager mit Sondertransporten auf die Baustelle geliefert. Kerven, eingeklebte Bewehrungsstäbe und eine oberflächige Zementschlämme zum Schutz der Blockträger vor Durchfeuchtung im Bauzustand wurden ebenso im Werk erstellt wie die allseitig über den Blockträger auskragenden Schalungen für die Stahlbetonfahrbahn. Der Blockträger selbst war Teil der Schalung und wurde an den Enden und in der Mitte auf Hilfsgerüste gestützt. Im Anschluss an die Verlegung der Bewehrung des Überbaus und an den Einbau der Geländerpfosten konnten die Fahrbahnen in einem Zug betoniert werden. Nach dem Absenken der temporären Stützungen und dem Entfernen der auskragenden Schalungen wurden die Geländer vervollständigt und die Epoxidharz-Brückenbeschichtungen aufgebracht.

Ausblick

Holz im Verbund mit Beton ermöglicht einfache, aber effiziente und wirtschaftliche Verbindungen: Beide Materialien lassen sich im Werk beziehungweise in flüssigem Zustand auf der Baustelle leicht verarbeiten. Spannweiten und Belastungen auf Brücken sind im Normalfall sehr hoch, sodass in der Verbundfuge zwischen Beton und Holz im Brückenbau grosse Schubkräfte übertragen werden müssen.4 Besonders wirksam sind flächig lastübertragende Verbundsysteme wie in Holz eingeklebte Gitterbleche und unterschiedliche Varianten mit -Kervenausbildungen.

Natives Holz, als Bauholz eingesetzt, fault oberhalb der Fasersättigungsfeuchte, die für Fichte bei ca. 30% Holzfeuchtigkeit liegt. Im Brückenbau ist Bauholz aus nativem Holz daher langfristig in bewitterter Umgebung nur dauerhaft, wenn es in geschützten Brückenkonstruk-tionen verwendet wird. 

Das bedeutet für die HBV-Bauweise, dass der wetterbeständige Beton als Schutz für das Holz beidseitig um mehr als 30° zur Vertikalen über den Holzträger auskragen muss, damit nach DIN-Norm5 Schlagregen vom Holzquerschnitt ferngehalten wird. Der bauliche Holzschutz ist auch in der Bauphase durch konstruktive Massnahmen einzuhalten. Ein hoher Vorfertigungsgrad der Holzkonstruktion ist aufgrund des geringen Gewichts des Werkstoffs Holz möglich, reduziert die Bauzeit und erlaubt es, auch gekrümmte Tragwerke wirtschaftlich herzustellen.

Der Bau von Holz-Beton-Verbundbrücken wird sich unter Aspekten der Filigranität und Wirtschaftlichkeit weiterentwickeln. Zukunftsweisend ist der aktuelle Einsatz des Werkstoffs Buchenholz als marktfähiges Bauholz. Die Festigkeiten von Buchenholz sind ca. doppelt so hoch wie von Nadelholz, die Steifigkeiten ca. 50% höher.

Damit sind zukünftig noch schlankere Konstruktionen möglich. Wenn es gelingt, für Spannweiten bis ca. 30m nicht nur die Holzträger, sondern die kompletten Verbundbrücken so vorzufertigen, dass sie noch transportabel sind, wird die Wirtschaftlichkeit weiter erhöht. Da mehr als 70% aller Brücken weniger als 30 m weit spannen, eröffnet sich hier ein weites Feld für den Holzbrückenbau. 

Anmerkungen

  1. Eine Kerve ist ein dreiecksförmiger Ausschnitt von einigen Zentimetern in hölzernen Sparren, damit diese eine Auflagerfläche auf einer Pfette erhalten.
  2. J. Graf, Integrale Holz-Beton-Verbundbrücken für die Landesgartenschau 2014 in Schwäbisch Gmünd. In: 18. Internationales Holzbau-Forum 2012, Band II
  3. O. Bletz; L. Bathon, Holz-Beton-Verbund-Verkehrsbrücken. In: Holzbau 5/2008, S. 43–48
  4. DIN 1074: Holzbrücken. Ausg. 9/2006
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