Heu­te selbst­ver­ständ­lich, mor­gen rar

Ausstellung «Wasser unser», Alpines Museum, Bern

Wasser ist einfach da. Wir drehen am Hahn und haben Wasser für den Morgenkaffee, zum Duschen, zum Kochen. Bleibt das auch so? Das Alpine Museum in Bern wagt mit der Ausstellung «Wasser unser» einen nachdenklich stimmenden Ausblick in die Zukunft.

Publikationsdatum
10-11-2016
Revision
10-11-2016

Die Fahrt mit dem Tram vom Stadtzentrum zum Alpinen Museum führt über die Kirchenfeldbrücke und gibt den Blick frei auf die Aare, diesen hier kanalartigen Fluss mit zurzeit etwas mehr als 100 m3/s Abflussmenge. Eindrücklich ist dies am «Schweller» zu sehen, der unterhalb der Altstadt gelegenen, vom geologischen Untergrund vorgeformten und im Mittelalter technisch ausgebauten Mattenschwelle mit ihren den Abfluss regulierenden Pollern aus Holz. Über ein Kanalsystem brachte die Aare hier bis vor etwas mehr als hundert Jahren diverse Maschinenwerke im Mattenquartier zum Laufen. Wasser gehört hier wie auch anderswo in der Schweiz zum Alltag, der Wasserverbrauch beläuft sich in unseren Haushalten pro Kopf auf 160 l pro Tag, rund 300 l sind es inklusive des Bedarfs für Industrie, Energie usw. Wir haben mehr als genug Wasser. Wo also liegt das Problem?

Wasserparadies auf Zeit

«Wir leben in einem Paradies», so Rolf Weingartner, Hydrologe am Oeschger-Zentrum für Klimaforschung der Universität Bern (OCCR), wissenschaftlicher Partner dieser Ausstellung. «Uns stehen theoretisch pro Jahr rund 5 Mio. l Wasser zur Verfügung. Davon verbrauchen wir aktuell nur 2 %, also rund 100 000 l pro Person und Jahr», führt Weingartner weiter aus. «Ein Problem haben wir demgemäss nicht jetzt, doch wir dürften es künftig haben, sofern wir uns nicht vorsehen. So wird etwa das rasche Schwinden der Gletscher unter Experten als ‹Umkippen eines Dominosteins im Wassersystem› gewertet.

«Der menschliche Einfluss auf das Klima ist klar. Was heute ein extremes Ereignis ist, das alle fünfzig oder hundert Jahre eintritt, wird in Zukunft, um das Jahr 2050 herum, vielleicht alle drei bis fünf Jahre auftreten», prophezeit Martin Grosjean, Direktor des Oeschger-Zentrums für Klimaforschung.

Zunehmende Wetterextremereignisse sind nur ein Bereich, in dem die Wissenschaft für die Schweiz Auswirkungen des Klimawandels lokalisiert. Hinzu kommen die Trinkwasserversorgung, Berge ohne Eis und Schnee sowie daraus resultierende Nutzungskonflikte, einschneidende Änderungen im Wintertourismus, schliesslich aber auch die Folgen internationaler Konflikte und Debatten um das Recht auf Wasser. Die wissenschaftlichen Fakten zu den bevorstehenden Veränderungen werden nicht mehr angezweifelt. Und dennoch: «Eigentlich geschieht wenig bis nichts», sagt Rolf Weingartner. Der Transfer von der Wissens- auf die Handlungs­ebene finde kaum statt.

Nachdenkliche Ausblicke 

«Wasser unser» empfängt das Publikum mit einer rund vierminütigen «Wasserpartitur», geschrieben von der Zürcher Schriftstellerin Ruth Schweikert. Über zwei Stockwerke reisen die Besucherinnen und Besucher anschliessend durch sechs begehbare «Wasserzukünfte». Bilder, eingängige Texte, Filme und über Kopfhörer abrufbare Statements und Zukunftsszenarien verweisen auf das, was eine künftige Generation in 35 Jahren erwarten dürfte, und führen vom urbanen Raum im Unterland ins Hochgebirge. Beispiele aus der Vergangenheit sowie Fakten zum Klimawandel aus Wissenschaft und Praxis vertiefen das Thema in Text und Bild. ­

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler machen in Videostatements deutlich, welche Rolle unser Handeln heute für die Zukunft spielt. Beim Thema «Nutzungskonflikte» werden Besucherinnen und Be­sucher in einem interaktiven Spiel aufgefordert, zu politischen Entscheidungen in Bezug auf die Wasserproblematik in der fiktiven Berggemeinde namens «Alprima» Stellung zu nehmen. Am Schluss der Ausstellung können sie ihre eigenen Botschaften, Ängste oder Wünsche zum Thema notieren und einer Boje übergeben, die erst 2051 wieder geöffnet wird.

Abwarten ist keine Option

Rolf Weingartner ist sich als Wissenschafter der begrenzten Resonanz im breiten Publikum auf seine Forschungsarbeit bewusst und freut sich deshalb über diese Ausstellung. Er sagt dazu: «In den letzten 30 Jahren wurden die Folgen des Klimawandels im Bereich des Wassers intensiv erforscht, sodass ein gutes Bild von der Art der Veränderungen besteht. Die Ausgangslage ist klar: Die Lufttemperatur wird sehr wahrscheinlich zunehmen. Davon werden die Gletscher und die Schneedecke massiv betroffen sein.

Da heute rund 40 % des Abflusses aus der Schmelze von Schnee und Eis stammen, führen das Verschwinden der Gletscher und die abnehmende Bedeutung des Schnees im Wasserhaushalt zu Veränderungen im hydrologischen Geschehen. So werden die Sommer zunehmend trockener, zumal nach heutigem Kenntnisstand auch die sommerlichen Niederschlagsmengen abnehmen werden.» Diese Tatsachen betreffen den Tourismus, die Landwirtschaft, die Industrie und das Gewerbe. Absehbar seien Nutzungskonflikte, Abwarten sei die schlechteste Option, warnt Weingartner. Wichtige Fakten des Klimawandels seien bekannt, es sei nun Zeit zu handeln.

Die Ausstellung zeigt, wie jeder und jede über das Wasser direkt von dieser Entwicklung betroffen sein wird. Sie macht aber auch deutlich, dass es mit klugen politischen und raumplanerischen Entscheiden und ganzheitlich geplanten Massnahmen möglich ist, drastische Auswirkungen zu vermeiden.

Die Ausstellung «Wasser unser» im Alpinen Museum in Bern entstand zusammen mit dem Oeschger-Zentrum für Klimaforschung der Universität Bern, OCCR.
Sie ist noch bis zum 17. September 2017 zu sehen.
Öffnungszeiten: Di. 10–20 Uhr; Mi.–So. 10–17 Uhr
Weitere Informationen, auch zu Begleitveranstaltungen: www.alpinesmuseum.ch


Künstliche Beschneiung in der Schweiz

Wenn Schneesportlerinnen und -sportler im Winter über die planierten weissen Pisten carven, dann tun sie das immer häufiger auf mit Kunstschnee präparierten Pisten. 40 % der Schweizer Pisten sind heute künstlich beschneit. Die künstlich beschneite Fläche beträgt rund 92 km2 und hat sich seit 1990 mehr als verzehnfacht. Die Beschneiungsanlagen in der Schweiz verbrauchen je nach Wirkungsgrad und Wetterverhältnissen rund 18 Mio. m3 Wasser pro Jahr – der Bedarf von 140 000 Haushalten.

In grossen Skigebieten fallen auf die künstlichen Beschneiungsanlagen unterdessen bereits 20 % des gesamten Wasserverbrauchs. Für die künstliche Beschneiung werden oft neue Speicherseen in alpinem Gelände gebaut. Der gesamte Strom­bedarf der Beschneiungsanlagen in der Schweiz beträgt gemäss Schätzungen pro Wintersaison rund 60 Mio. kWh. Das entspricht dem Bedarf von 11000 Haushalten oder rund 0.1 % des gesamten Schweizer Stromverbrauchs.

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