Herr Fu­ji­mo­ri und das Feu­er

Angekohlte Fassaden

Die verkohlten Zedernholzfassaden der Bauten des japanischen Architekten Terunobu Fujimori vereinen moderne und traditionelle Ästhetik. Die thematische Auseinandersetzung des Architektur-Alchemisten mit Feuer ist damit jedoch bei Weitem nicht ausgeschöpft.

Publikationsdatum
14-05-2014
Revision
18-10-2015

Gottfried Semper rückt den Herd als «moralisches» Element ins Zentrum des Hauses. In seiner frühen Schrift «Die vier Elemente der Baukunst» aus dem Jahr 1851 nennt er den Herd als erstes. Danach folgen das Dach, die Umfriedung und der Erdaufwurf. Auch die faszinierenden Häuser des Architekten Terunobu Fujimori sind auf vielfache Weise mit dem Element des Feuers verbunden. Bereits auf Fotos, und viel mehr noch in der unmittelbaren Erfahrung und Benutzung, ist dies erlebbar.

Die Feuerstellen in seinen Häusern sind offensichtlich bestimmend für den Entwurf: Bei den kleinen Teehäusern, ausgehend vom schwankenden Takasugi-an auf dem väterlichen Grundstück in Chino, spielt das Feuer für die Nutzung eine zwingende Rolle. Das Teehaus ist die Quintessenz japanischer Kultur, vielfach interpretiert und stilisiert. Auch bei den meisten Wohnhäusern Fujimoris sind Teehäuser als eigenständige Bauteile angebaut – als Türme, Erker oder Aufsätze. Der Weg dorthin ist immer verborgen oder erschwert. Das ist bei Teehäusern seit jeher üblich, um ein Gefühl von Distanz und Abgeschiedenheit zu bewirken.

Fujimori wählt eine andere, neuartige Weise, meist mit einem überraschenden Richtungswechsel nach oben. Wie mit vielen anderen Traditionen Japans setzt er sich in seinem Werk mit der Teekultur kritisch auseinander. Dies hängt damit zusammen, dass er erst im Alter von 50 Jahren als Architekt zu bauen begonnen hat. Bis dahin war er als Architekturhistoriker mit vielen Auszeichnungen für seine Forschungen zur japanischen «Vormoderne» geehrt worden. Fujimori mag – nach eigener Aussage – die mittlerweile allzu formalistisch und kostspielig gewordene Teezeremonie nicht besonders. Eine stundenlange Abfolge von genau vorgeschriebenen Handlungen widerspricht vielleicht auch nur seinem umtriebigen Wesen. Trotzdem trinkt er, wenn er mit seinen Freunden interessante Gespräche führt, gern mit ihnen den starken, schaumigen Matcha-Tee.

Es ist ein besonderes Erlebnis, von ihm den Tee zubereitet zu bekommen: Zügig wird Holzkohle aufgeschüttet, die Feuerstelle geschürt, in einer schweren Eisenkanne Wasser gekocht, das starke grüne Teepulver mit dem Pinsel in der groben Schale geschäumt, die gemeinsame Tasse angeboten, getrunken und genossen. Seine Einstellung ähnelt vielleicht der von Sen no Rikyu, der im 16. Jahrhundert die Teezeremonie in Japan erneuerte und bereinigte: «Die Kunst besteht einfach darin, Wasser zu kochen, Tee zu bereiten und ihn zu schlürfen – das ist alles.»

Das zu hohe Teehaus

Bei Fujimoris Takasugi-an, dem «zu hohen Teehaus», ist die Feuerstelle nur ein einfacher, sandgefüllter Ausschnitt der Rattanmatten in einer Raumecke. Dieser uralte Herdtyp wird traditionell in Teehäusern verwendet, auch wenn ihn hier seine Schmucklosigkeit auszeichnet. Darüber dient ein einfaches Loch in der Decke, von einem dürren Schornsteinrohr verlängert, als Rauchabzug, dessen Funktionsfähigkeit der Architekt mehrfach verbessert hat. Der innenseitig vergoldete Dachaufsatz fängt die Strahlen des Morgenlichts ein. In dem winzigen, kuppelartigen Innenraum gibt es nichts, was die Aufmerksamkeit ablenken könnte. Nach dem abenteuerlichen Einstieg über zwei hohe Leitern und die enge Schlupftür erscheint der Raum dennoch wohlproportioniert, grosszügig und befreiend. Ausser dem Feuer lenken nur die Fenster die Aufmerksamkeit auf ausgewählte Punkte: die Berge in der Ferne, einen knospenden Strauch in der Nähe. Seit je gehört diese synästhetische Choreografie zur Gestaltung der Teehäuser.

Fujimoris umfangreiche Kenntnisse der Baugeschichte und seine Suche nach Verlorenem und Vergessenem führten dazu, dass er offenes Feuer im Haus so herausstellt. Dabei muss man nicht einmal bis zu seinem expliziten Bezug auf die steinzeitliche Jomon-Periode zurückgehen. Noch bis in die Neuzeit ist der offene Feuerplatz ein Merkmal aller japanischen Bauernhäuser. Hier kocht das Teewasser, und die Bewohner sitzen wie um ein Lagerfeuer in dem ansonsten unbeheizten Haus. Nicht immer gestaltete Fujimori die Feuerstellen in seinen Häusern so wirkungsstark. Er selbst nennt als auslösendes Moment dafür seine Reise ins Vallée de la Vezère. Dabei besuchte er die Grotte von Lascaux und lernte die alte Architektur der Dordogne mit ihren aussen wie innen dominierenden Kaminen und Schornsteinen kennen. 

Flammen-Experimente

Bei seinem Schlüsselwerk Haus Yakisugi, dem Haus der verkohlten Zedern, gibt es offenes Feuer nicht nur im auskragenden Teehaus, sondern auch im holzüberwölbten Wohnzimmer: Dort wurde in einem Guss mit dem gebogenen, weiss verputzten Wandschirm ein Kaminofen zur Küche gebaut. Er bildet das skulpturale Gegenstück zum Ausblick in den lichtdurchfluteten Garten auf ein Meer aus Zwergbambus. Das Ofenrohr ragt bis ins Dach hinein. Um seinen Zweck zu betonen, ist alles mit schwarzen Kohlestückchen verziert, die organisch auf der Wandscheibe verteilt sind. Zugleich stellen sie einen Bezug her zur Aussenhaut des Hauses aus verkohlten Zedernbrettern, einem zweiten herausragenden Merkmal von Fujimoris Bauten. 

Die Verwendung verkohlter Fassadenverkleidung entsprang ursprünglich wohl seiner Abneigung gegen die in Japan typischerweise verwendeten unbehandelten Zedernbretter. Als Verfremdung und mit Bezug auf eine traditionelle Technik des Holzschutzes bei Fischerhäusern in Mitteljapan experimentierte Fujimori lange mit dem Abflammen der Oberfläche bei grossen Brettlängen. Schliesslich gelang es ihm. Diese Verkleidung gilt in der japanischen Wahrnehmung als bäurisch und ungehobelt und wurde von Architekten nie geschätzt. Gerade deshalb setzt Fujimori sie ausserhalb ihres Kontextes wieder ein und gestaltet durch die weissen Fugen einen neuartigen, grafischen Kontrast.

Er erweiterte so seine Ausdrucksmöglichkeiten: Nach seinen frühen Entwürfen konfrontiert er die Betrachter bei der Aussenhaut vieler Häuser mit dem Element des Feuers. Die spröden, porösen, taktil angenehmen Flächen sind übrigens keineswegs stossunempfindlich. Einen weiteren Bezugspunkt zum Feuer stellen schliesslich die vielen, oft von ihm handgeschmiedeten Bauteile wie Geländer, Verstrebungen, Griffe und Beschläge dar. Seine Fertigkeit hat der Autor selber beobachtet. 

Hat Terunobu Fujimori vielleicht in der Nachfolge von Gottfried Semper in eigenen «Fünf Punkten» das Feuer wieder aufgegriffen? Er setzt seine Schwerpunkte denen von Le Corbusiers Manifest «Vers une architecture» entgegen. «Moralisch» ist Feuer für ihn auch, weil es die soziale, Frieden stiftende Qualität der Gemeinschaft herausstellt. Seine anderen umfassenden Punkte sind Pfosten, Höhle, Erde und geneigtes Dach. Er stellt sich mit seinen Thesen nicht naiv als anerkannter Forscher in die ernsthafte Tradition der grossen Theorien. Vielmehr überwindet er seine bedrückenden Perspektiven auf den Raubbau unserer Zivilisation, die er in seinem Modell für Tokio dargestellt hat.

Schliesslich ist er ein eigenwilliger Architektur-Alchemist unserer Tage geworden. Mit seinen fünf Elementen liefert er einen kritischen Katalysator für sein Zukunftskonzept einer «roten» Architektur – individualistisch, primitiv, im Einklang mit der Natur und im weitesten Sinn human. Das Feuer bleibt in der Mitte. 

Magazine

Verwandte Beiträge