Herbst-Ple­nar­ver­samm­lung von bau­en­schweiz

Baukultur im Spannungsfeld der Politik

Die Herbst-Plenarversammlung von bauenschweiz, der Dachorganisation der Schweizer Bauwirtschaft, fand am 15. November 2012 in Bern statt. Das zentrale Thema der Veranstaltung, die Baukultur, sorgte für ungewohnt pointierte und bisweilen harsche Stellungnahmen auf dem Rednerpult.

Publikationsdatum
16-11-2012
Revision
01-09-2015

Hans Killer, bauenschweiz-Präsident und SVP-Nationalrat, begrüsste die rund 120 Delegierte und Gäste mit einer Rede über die wirtschaftliche Lage und das vergangene Verbandsjahr. bauenschweiz war 2012 sehr aktiv: Der Dachverband beschäftigte sich unter anderem mit der Landschaftsinitiative (die er ablehnt), der Teilrevision des Raumplanungsgesetzes, dem Kartellrecht, der Bauproduktegesetzgebung, der Harmonisierung des formellen Baurechts, den KBOB-Standardverträgen und dem öffentlichen Beschaffungsrecht. Als zukünftige Themen wurden die Energiestrategie 2050 und die Verkehrsinfrastruktur genannt.
Pius Knüsel, langjähriger Direktor von Pro Helvetia und heute Direktor der Volkshochschule Zürich, äusserte sich in scharfen Worten zum Manifest des Runden Tischs Baukultur Schweiz. Der Co-Autor des Buches «Der Kulturinfarkt» sah darin einen verspäteten Versuch der Baubranche, sich Zugang zu den staatlichen Subventionstöpfen zu verschaffen. Knüsel sprach sich dezidiert gegen eine wie auch immer geartete Subventionierung von Baukultur aus. Der Schweizer Baukultur, führte er aus, ginge es gerade deshalb gut, weil sie nicht staatlich gefördert werde; dies im Gegensatz zur Kunst, die wegen eines systematisierten Verteilsystems zum Einheitsbrei verkommen sei. Zu bemängeln gebe es im Übrigen bereits genug, und insbesondere drei schwer wiegende Mängel. Erstens der Umstand, dass die Schweizer Baukultur von einer bestimmten Einstellung gegenüber der Vergangenheit dominiert sei: Weil zwar Bauten, nicht aber deren soziale Funktionen geschützt würden, finde eine Musealisierung der Altstädte statt. Zweitens die «Egomanie der Architekten», die gigantische Ikonen mit perfekten Oberflächen schaffen wollen, ohne sich um Kontext und Funktion zu scheren. Und drittens die «föderalismuskranke Rauplanung», die zur Zersiedlung des Landes führe – hier allein sei die staatliche Intervention zu stärken. Eine qualitativ hoch stehende Baukultur soll durch die Zivilgesellschaft verhandelt, aber nicht von der Verwaltung gefördert werden. «Seien Sie mutig, streiten Sie, aber fordern Sie kein Geld!»
Diesem polarisiernden Statement begegnete SIA-Präsident Stefan Cadosch mit wohltuend differenzierten Argumenten. «Wir fragen nicht nach Subventionen, sondern nach Partizipation und Dialog», stellte er fest. Es ginge in erster Linie darum, verschiedene Akteure zu versammeln, um eine Qualitätsdiskussion auf breiter Basis überhaupt erst in Gang zu bringen. Die Verantwortung für die Beschaffenheit der gebauten Umwelt könne nicht allein auf die Planenden abgewälzt werden – hinter den «gigantischen Ikonen» stehen nämlich nicht nur ein Stararchitekt, sondern auch eine Bauherrschaft, die sie bestellt und bezahlt habe. Der gebaute Raum gehe alle an, und die Auseinandersetzung damit gelte es möglichst breit abzustützen. Gesucht sei ein gesamtgesellschaftlicher Blick. Hier sei auch die Politik gefragt, die zurzeit jedoch kaum für Baukultur sensibilisiert sei und ihre diesbezügliche Verantwortung nur punktuell wahrnehme; dies belege beispielsweise die Tatsache, dass es beim Bundesamt für Kultur keine offizielle Ansprechperson für Baukultur gebe. Cadosch plädierte für eine langfristig angelegte Grundlagenarbeit – von der Schule bis hin zur Politik.
In der anschliessenden, von Claudia Schwalfenberg moderierten Diskussion hatten Knüsel und Cadosch Gelegenheit, ihre Argumente noch einmal zu präzisieren. Zum Abschluss sprach Hansjörg Walter, Präsident des Bauernverbands und Nationalratspräsident, über die baukulturellen Themen, die das Parlamentsjahr 2011-2012 bewegt haben. Im Gegensatz zu seinen Vorrednern zeigte er sich recht versöhnlich: Trotz fortschreitender Zersiedlung habe er «volles Vertrauen in die Architekten und Handwerker dieses Landes. Wie einst die Erbauer des Parlamentsgebäudes arbeiten sie nach den «Regeln der Kunst».» Wer diese zu definieren habe, sprach er nicht an – ein Hinweis dafür, dass die Diskussion um Baukultur tatsächlich erst beginnen muss...

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