Heik­le Ein­grif­fe

Revision von Staumauern

Sollen die technischen Anlagen eines Speichersees erneuert werden, denkt man zunächst an eine Entleerung. Doch es gibt Alternativen.

Publikationsdatum
01-10-2014
Revision
18-10-2015

Die Stauseen Valle di Lei und Lago di Livigno sind nicht die grössten, die Talsperren Valle di Lei und Punt dal Gall nicht die höchsten und die beiden Kraftwerksanlagen nicht die leistungsstärksten in der Schweiz. Beispielhaft stehen sie aber für die vielen Wasserkraftwerke mit Speicherseen in den Alpen, die mehrheitlich zwischen 1950 und 1970 gebaut wurden. Bei ihnen sind nun Gesamterneuerungen fällig oder bereits im Gang. Das Hauptziel: die Anlagen für die zweite Konzessionshälfte fit zu machen und so die Betriebssicherheit und die Wirtschaftlichkeit für die ganze Laufzeit der Konzession zu gewährleisten. Beim Ablauf der Konzession nach 80 Jahren dürften die meisten Anlagen das Ende ihrer Lebensdauer noch nicht erreicht haben. Wie es dannzumal weitergeht, hängt von den politischen und ökonomischen Rahmenbedingungen ab, die aber hier nicht unser Thema sein sollen. 

Die Sanierung der Einlaufbereiche und der technischen Anlagen kann nur im Trockenen vorgenommen werden. Eine Möglichkeit, diese Arbeiten auszuführen, besteht in der Absenkung des Sees auf die erforderliche Kote. Alternativ kann der Einlaufbereich auch mit provisorischen Abschlüssen mittels Taucharbeiten abgedichtet werden, sodass im Trockenen von der Luftseite her gearbeitet werden kann. 

Um die Staumauer Punt dal Gall mit ihren technischen Anlagen an der internationalen Kraftwerksstufe Punt dal Gall/Ova Spin erneuern zu können, soll zum zweiten Mal in der Schweiz das sogenannte Sättigungstauchen eingesetzt werden. Ursprünglich hatten die Engadiner Kraftwerke (EKW) geplant, den See zu entleeren. Doch nachdem Ende März 2013 eine Panne bei der Restwasserversorgung aufgetreten war, musste das Konzept überarbeitet werden. Grosse Mengen Schlamm gelangten damals vom See in den Spöl. Das ökologische System des Nationalparks, der an die Anlage grenzt, wurde beeinträchtigt. So etwas darf nicht mehr passieren - Öffentlichkeit und Naturschutzorganisationen sind hier besonders sensibilisiert.

Die dreistufige Kraftwerksgruppe der Kraftwerke Hinterrhein (KHR) in Graubünden hat einen guten Teil der Erneuerungsarbeiten bereits hinter sich. Unvergesslich die Bilder vom leeren Lago di Lei und den Alphütten, die dabei zum Vorschein kamen. Auch den Sufnersee wollten die KHR absenken, musste aber abbrechen, weil ein Eintrag von grossen Sedimentmengen in den Hinterrhein drohte. Der Grundablass konnte nicht wie geplant revidiert werden. Insgesamt aber sind die Spülungen und Entleerungen der Ausgleichsbecken und des Lago di Lei, auch aus ökologischer Sicht, erfolgreich verlaufen.

Eine Besonderheit der beiden Stauseen ist, dass sie nahezu ganz zu Italien gehören, die Täler aber auf Schweizer Gebiet entwässern. Für die Nutzung der Wasserkräfte waren deshalb Staatsverträge notwendig. Die Zusammenarbeit mit Italien ist nun auch bei den Erneuerungsarbeiten zentral. Die Engadiner profitieren dabei von den KHR, die den Hürdenlauf der Genehmigung bereits hinter sich haben. Das Vorgehen bei der Erneuerung unterscheidet sich darin, dass die KHR lang nicht viel gemacht hatten und nun eine Gesamterneuerung durchführen. Die EKW hingegen erneuerten immer wieder Teile ihrer Anlagen – nun ist die Revision der Staumauer Punt dal Gall an der Reihe.

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