Gu­te Zei­ten, schlech­te Zei­ten

140 Jahre Werbung

Ohne Inserate kann eine Fachzeitschrift wie TEC21 nicht existieren. Doch gute Werbung leistet mehr: Sie ist ein Medium der Bauindustrie, eine wertvolle Informationsquelle, ein sprachliches und grafisches Werk –und oft auch ein wunderbares Zeitdokument. Wir blicken zurück.

Publikationsdatum
18-09-2014
Revision
18-10-2015

Immer wieder möchten Leserinnen und Leser wissen: «Warum gibt es Werbung in TEC21  Warum ist sie so prominent platziert » Tatsache ist, dass die Inserate – das heisst: die Werbung und die Stellenanzeigen – rund 70% unserer Einnahmen ausmachen. Darauf können und wollen wir nicht verzichten.

Wissen auf dem Silbertablett

Der wichtigste Grund dafür ist unser Qualitätsanspruch – und dessen Preis. Die Einnahmen aus dem Verkauf der Hefte würden allein niemals reichen, um eine kompetente Fachredaktion zu finanzieren. Doch eine solche ist notwendig, um relevante Themen ausfindig zu machen, Inhalte zu überprüfen, Projekte interdisziplinär zu reflektieren und Artikel leserfreundlich aufzubereiten – kurz, um eine Fachzeitschrift auf hohem Niveau zu bieten.

Gerade in der heutigen, digital verstärkten Informationsflut ist das keine Kleinigkeit. Das Internet ist mit einem riesigen Delikatessenmarkt vergleichbar: Man kann sich nach Belieben umsehen und inspirieren lassen, entdecken, ausprobieren, wählen – allerdings auf das Risiko hin, sich zu verirren oder nicht ganz frische Ware zu erstehen.

Eine gut gemachte Fachzeitschrift dagegen hat die Qualität eines Gourmetmenüs: Die Zutaten sind ausgesucht, die Geschmäcker komponiert, die Portionen ausgewogen und die Präsentation ansprechend. Die Köche bürgen für ihre Arbeit. Doch während die meisten Menschen – wenn überhaupt – sich nur gelegentlich einen Abend bei einem Sternekoch leisten, erscheint TEC21 wöchentlich: Die Mehrheit unserer Leserinnen und Leser möchte regelmässig über das aktuelle Baugeschehen informiert werden. Ohne Werbung wäre das unbezahlbar.

Spiegel der Bauwirtschaft

Umgekehrt ist auch offensichtlich, dass die Bauindustrie auf qualitativ hochstehende Fachpublikationen angewiesen ist, um ihre Produkte bekannt zu machen: Je höher die publizistische Qualität und die redaktionelle Unabhängigkeit einer Zeitschrift, desto höher auch die Wertschätzung der Leserschaft – und die Chance, dass die Werbung ihr Zielpublikum erreicht.

Auf diese Weise entsteht eine wechselseitige Beziehung zwischen Presse und Industrie. Je vielfältiger diese Beziehung ist, desto sicherer gewahrt ist die redaktionelle Freiheit. Das liegt im Interesse aller: Die Zusammenarbeit mit einer grossen Anzahl an Firmen minimiert die finanzielle Abhängigkeit der Zeitschrift von jeder einzelnen und erhöht wiederum die Glaubwürdigkeit der jeweiligen Werbung. 

Eine Folge dieser Beziehung ist, dass der Heftumfang von TEC21 mit den konjunkturellen Schwankungen der Bauwirtschaft korreliert: Geht die Anzahl der Inserate zurück, gibt es auch weniger redaktionelle Seiten. Insbesondere die Stellenanzeigen sind ein wichtiger Indikator dafür, wie es um die Branche steht. Viele Leserinnen und Leser betrachten den Stellenmarkt in TEC21 als eine Art inoffizielle Klatschseite: Wer vergrössert sein Büro? Wer hat schon lang nichts mehr von sich hören lassen  

Bezeichnenderweise werden Stellenanzeigen in TEC21 nicht als Inserate, sondern als Leserdienst wahrgenommen. Eine ähnliche Dienstleistung bietet bis zu einem gewissen Grad auch die Produktwerbung. Allen Kommerzgegnern zum Trotz: Ohne Bauindustrie gäbe es keine Architekten und keine Bauingenieurinnen. Immer wieder haben namhafte Baufachleute ihr Wissen in die Entwicklung neuer Produkte einfliessen lassen. Ebenso können neue Produkte und Verfahren die Planenden zu unerwarteten Ideen anregen. 

In den letzten Jahren waren es Materialien wie faserverstärkter Beton, Technologien wie die Photovoltaik oder die Fortschritte in der Gebäudetechnik, die Innovationsschübe in unterschiedlichsten Bereichen ausgelöst haben. Die Bauwirtschaft mit all ihren kommerziellen, ideellen und ökologischen Aspekten ist das Umfeld, in dem die Leserinnen und Leser von TEC21 tätig sind.

Ein Stück Kulturgeschichte

Stellenanzeigen und Werbung prägen unsere Zeitschrift seit ihren Anfängen. Die Vorgängerinnen «Die Eisenbahn» (1874–1883), «Schweizerische Bauzeitung SBZ» (1883–1978) und «Schweizer Ingenieur und Architekt SI+A» (1978–2000) enthielten alle Inserate. Die Lektüre dieser Seiten ist aus heutiger Sicht äusserst erhellend und zuweilen auch sehr unterhaltsam.

Zum einen die Form: Es gibt vergessene Schätze der Werbegrafik zu entdecken. Zum anderen der Inhalt: Einige neue Produkte von anno dazumal kennen wir höchstens noch aus dem Technikmuseum, andere sind so selbstverständlich geworden, dass wir glauben, es hätte sie schon immer gegeben. Und nicht zuletzt sind Inserate auch Zeitdokumente. Sie widerspiegeln nicht nur den Stand der Technik und die wirtschaftliche Lage ihrer Epoche, sondern auch ihr kulturelles Umfeld, die herrschende Mentalität, die politische Situation.

Ihr Studium kann verblüffende Einsichten in den Geist einer Zeit vermitteln – in den Kontext also, in dem die damaligen Planerinnen und Planer gewirkt und aus dem heraus sie ihre Bauwerke entwickelt haben. Ganz nebenbei kann die längst vergessene Produktwerbung einer längst verschwundenen Firma dazu beitragen, die Baukunst ihrer Zeit zu verstehen.

Werbung lässt tief blicken

Einen nachvollziehbaren Einstieg in die Industriegeschichte erhält zum Beispiel, wer in der «Schweizerischen Bauzeitung» vom 12. 8. 1939 auf eine Werbung für Zahnräder von Maag stösst: Dieser Tage wird bekanntlich das letzte Stück des ehemaligen Maag-Areals in Zürich überbaut. Doch was ist unter «autogener Metallbearbeitung», «Hetzer-Bauweise», «Opaloidplatten» oder «Exodor-Geruchsabsaugung» zu verstehen, für die in mehreren Ausgaben desselben Jahres geworben wird? Was ist ein Reise-Ingenieur 

Andere Inserate lassen keine Fragen offen. Dass im Jahr des Kriegsausbruchs viel Werbung für Luftschutzbauten und Sprengstoffe in der «Schweizerischen Bauzeitung» zu finden war, mag zynisch wirken, erstaunlich ist es nicht.

Nicht minder lehrreich ist ein Blick in die jüngere Vergangenheit. Wenn eine Firma 1982 mit einem Negerlein im Baströckchen für «unser schwarzes Rohr» wirbt, erinnert uns das daran, wie alltäglich rassistische Witze vor wenigen Jahren noch waren. Heute sind es sexistische Untertöne, die aufmerksame Leserinnen und Leser zunehmend verärgern.

Doch immer wieder, in den alten wie in den neuen Jahrgängen der Zeitschrift, gibt es Momente, in denen einem der Atem stockt – weil die Grafik so schön, der Spruch so treffend oder das Produkt so faszinierend ist. In diesem Sinn: Blättern lohnt sich! 

Hinweis: Eine Serie mit historischer gegenüber zeitgenössischer Werbung finden Sie hier.

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