Gär­ten als Kul­tur­denk­mä­ler und in­va­si­ve Neo­phy­ten

Invasive Neophyten dürfen gemäss geltendem Recht nicht mehr gepflanzt werden. Diese Pflanzen sind in historischen Gärten jedoch Teil des kulturellen Erbes und oft auch wichtige Zeitzeugen. Eine Stellungnahme des ICOMOS Schweiz.

Publikationsdatum
25-02-2016
Revision
25-02-2016

Die Schweiz besitzt ein reiches Gartenerbe. Viele dieser Anlagen sind wichtige Kulturzeugnisse. Dazu gehört auch die Gartenkunst der Moderne des 20. Jahrhunderts. Die verwendeten Pflanzen geben die Gestaltungsabsicht ihrer Entstehungszeit wieder. Dazu gehören neben heimischen Pflanzen auch zahlreiche Neophyten, also Pflanzen, die nach 1492 nach Europa kamen.

Das Bundesgesetz über den Natur- und Heimatschutz fordert, das heimatliche Landschafts- und Ortsbild, die geschichtlichen Stätten sowie die Natur- und Kulturdenkmäler zu schützen. Dazu gehören auch die Gartendenkmäler. Zwar hält das Gesetz auch fest, dass die Ansiedlung von Pflanzen landes- oder standortfremder Arten bewilligungspflichtig ist. Es klammert aber bewusst Gärten und Parkanlagen aus. Für die Gartendenkmäler ist diese Ausnahme bedeutend, weil eben viele dieser Pflanzen untrennbarer Bestandteil des Kulturzeugnisses Garten sind.

Invasive Neophyten

Die Freisetzungsverordnung regelt den Umgang mit invasiven Organismen. Als invasiv werden sie eingestuft, wenn sie eine so hohe Bestandesdichte erreichen können, dass sie die biologische Vielfalt beeinträchtigen. In der rechtliche verbindlichen Verordnung sind 18 Pflanzenarten vermerkt, die weder käuflich erworben, gepflanzt, verkauft oder in freier Wildbahn ausgebracht werden dürfen. Dazu gehört der Essigbaum.

Die sogenannte «Schwarze Liste» sowie die «Watch-Liste» haben dagegen keine Gesetzeswirkung. Sie listen Neophyten auf wie beispielsweise Schmetterlingsflieder, Lupine, Robinie, Herbstaster, oder Blauglockenbaum. Die Freisetzungsverordnung wird derzeit in den Baureglementen zahlreicher Gemeinden umgesetzt.

Gartendenkmalpflege

Gartendenkmäler, die ja aufgrund des Pflanzenmaterials lebende Denkmäler sind, müssen daher erhaltend gepflegt werden. Das heisst beispielsweise, dass ihre Gehölze nachgepflanzt werden, wenn sie überaltert sind. Um die ursprüngliche gestalterische Intention zu erhalten, ist es wichtig, nebst dem alten Pflanzort auch die historische Art zu wählen. Einige der invasiven Neophyten, wie sie auf der Schwarzen Liste oder der Watch-Liste geführt werden, sind in den Gärten der Moderne bedeutende Charakterpflanzen.

Die Vorliebe jener Epoche für fiederblättrige, oder malerische Pflanzen erklärt die Verwendung von Robinie und Paulownie. Im Werk des Zürcher Landschaftsarchitekten Willi Neukom (1917-1983), eines der bedeutendsten Vertreter der Nachkriegsmoderne in der Schweiz, spielen diese Arten eine tragende Rolle. Für die Erhaltung und Pflege der Anlagen jener Epoche würde ein Pflanzverbot oder gar eine Entfernungspflicht die bewusste Zerstörung des wertvollen Kulturzeugnisses bedeuten.

Auch das Verbot des Essigbaums durch die Freisetzungsverordnung hat für viele Gartendenkmäler der Moderne weitreichende Konsequenzen. Als Modepflanze der 1950er Jahre ist der Essigbaum in vielen wertvollen historischen Gärten jener Zeit zu finden. Seine mancherorts aus konservatorischen Gründen erforderliche Nachpflanzung ist inzwischen aber verboten.

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