Gol­de­ne Zei­ten wa­ren’s nicht

1984 – 2017 – 2050

Die Gegenwart bestimmt die Zukunft und wurzelt dabei in einer Vergangenheit, die man nur zu gern vergessen würde. Wie war es noch mal vor 33 Jahren? Ein Rückblick zeigt: Die Realität übertrifft jede Satire.

Publikationsdatum
20-04-2017
Revision
21-04-2017

Nun macht man sich also 2017 Gedanken darüber, wie 2050 sein soll. 33 Jahre, das ist etwas mehr als eine Generation. Rechnet man diese Zeitspanne von heute aus einmal zurück, befinden wir uns im Jahr 1984. Genau, das Jahr aus dem berühmten Buch von George Orwell. Das sprechen wir hier mal nicht an. Totalitäre Regime gibt es heute genug, und die werden auch bis 2050 nicht ausgehen. Aber was gibt es Interessantes aus 1984 zu berichten?

Kommunikation: neue Technologie, neue Pannen

In der Kommunikationssparte hat sich in 33 Jahren einiges getan. Schliesslich passieren Fussgänger noch nicht seit jeher die Fussgänger­überwege mit auf das Smartphone gerichtetem Blick. 1984 stellte ­Apple den Macintosh vor, und die erste E-Mail erreichte Deutschland. Bis zu ihrer Ankunft in der Schweiz vergingen noch ein paar Jahre. Nicht überall klappte jedoch 1984 der Datenverkehr wie gewünscht. Das BTX-System der Deutschen Post, ein Netzwerk im Vor­inter­net­zeit­alter, wurde vom Chaos Computer Club gehackt. 135 000 Mark (auch die gab es mal) buchten sie zu Demonstra­tionszwecken um.

Auch beim schriftlichen Datenaustausch ging einiges schief. Das Bundesamt für Wehrtechnik und Beschaffung musste bestätigen, dass Computerlisten mit dem fast vollständigen Beschaffungsprogramm der Bundeswehr in einem Strassengraben gefunden worden waren. Gelinde gesagt, war der Vorfall etwas prekär; hatte doch sechs Tage zuvor die sowjetische Nachrichtenagentur TASS verkündet, dass in der DDR mit dem Aufstellen von Nuklearraketen begonnen worden sei. Die jüngeren Leserinnen und Leser seien darauf hingewiesen, dass es damals tatsächlich zwei Deutschlande gab – eine Horrorvorstellung für manchen Schweizer – und der Kalte Krieg in vollem Gang war. Europa schwebte in ständiger Gefahr, als nukleares Schlachtfeld zu enden. Davon wäre dann auch die Schweiz betroffen gewesen. Strahlung kennt keine Grenzen.

Vielleicht sollte man sich ein solches Szenario immer vor Augen halten, wenn man mal wieder in die allgemeine Die-Welt-ist-so-schlecht-Stimmung zu verfallen droht. Aber mit Humor nahm man es damals auch schon. Ronald Reagan (Einschub aus «Zurück in die Zukunft»: «Und dann sag mir, Junge aus der Zukunft, wer ist im Jahr 1985 Präsident der Vereinigten Staaten?» «Ronald Reagan.» «Ronald Reagan? Der Schauspieler? Wer ist dann Vize­präsident? Jerry Lewis? Und John Wayne ist wahrscheinlich Verteidigungsminister!») – Ronald Reagan also verkündete in einer Mikrofon­probe die Bombardierung der UdSSR. Ein Scherz, den er später bedauerte, offiziell bedauern musste.

Energieversorgung: damals wie heute

Derweil stimmte die Schweiz dem Bau weiterer Kernkraftwerke zu. Tschernobyl geschah ja erst zwei Jahre später, und die Kernkraft­euphorie von vielen Verantwortungslosen aus Politik und Wirtschaft überstrahlte damals noch alles. Die Propaganda für den Bau weiterer Meiler lief auf Hochtouren. Als Kind bekam man Luftballons, Schildmützen und Aufkleber mit «Kernkraft, na klar» und dergleichen anderen Plunder. Dass man die Bevölkerung für dumm verkaufen kann, das ist mit Sicherheit das Einzige, was im Kernenergiegeschäft wirklich sicher ist. Die Aufkleber machten sich toll neben den «Ein Herz für Kinder»-Stickern am Velo.

Und heute? Da fahren diese Kinder mit schicken Elektrovelos, die immer noch mit Atomstrom – Tendenz immerhin abnehmend – betrieben werden. 2050 gibt es dann vielleicht solarbetriebene Rollatoren für die gealterten Kinder, falls nichts dazwischenkommt. Noch stehen ja genügend Reaktoren in der Gegend herum. Auch Wasserkraftwerke gibt es zuhauf, 1984 wie 2017. 1984 ging Itaipu (Brasilien und Paraguay) als weltweit grösstes Kraftwerk in Betrieb. 2017 geht Limmern als schweizerisch grösstes Pumpspeicherwerk ans Netz. Für Kraftwerke, die 2050 in Betrieb gehen sollen, müsste schon in wenigen Jahren der Planungsbeginn starten.

Dumm nur, dass die Klimamodelle von weniger sommerlichem Regen ausgehen und die Gletscher als natürlicher Wasserspeicher auf dem absteigenden Ast sind. Folgen also Staudämme als Wasserspeicher anstelle der Gletscher? Klingt aufs Erste logisch, wird aber praktisch mit einer Menge Schwierigkeiten und immensem Aufwand verbunden sein. Aber wie heisst es so schön? Was nicht passt, wird passend gemacht. Das wird 2050 ebenfalls noch gelten.


«Die Zukunft von gestern»

Nach diesem Rückblick widmen wir uns in den nächsten Wochen der Zukunft – oder zumindest einigen Vorstellungen, die in den letzten Jahrzehnten für kommende Zeiten entwickelt wurden. Wie zutreffend waren sie, inwiefern haben sie das Geschehen beeinflusst? Die Artikelserie «Die Zukunft von gestern» präsentiert in loser Folge Visionen, Ideen und Prognosen aus unterschiedlichen Bereichen des Bauens. Den Auftakt bildet der Beitrag «Die Zukunft von gestern: Wie sich unsere Urgrosseltern um 1900 das ferne Jahr 2000 vor­stellten». Zum Artikel

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