«Ge­ziel­te En­er­gie­mass­nah­men be­wir­ken viel»

Wie geht eine institutionelle Bauträgerschaft mit dem Erneuerungsbedarf ihres Immobilienportfolios um? Und welche energetischen Ansprüche werden dabei erfüllt? Zwei Fachpersonen geben Auskunft über mögliche Strategien.

Publikationsdatum
15-11-2018
Revision
15-11-2018

Paul Knüsel: Die Stiftung PWG kauft nicht unbebautes Neuland, sondern erwirbt bestehende Wohn- und Geschäftsliegenschaften. Nach welchen Kriterien gehen Sie vor?

Alexandra Banz: Die aktuelle Erwerbsstrategie ist primär dadurch definiert, was der Markt hergibt. Wir kaufen aber nur, wenn wir die Möglichkeit erkennen, preisgünstige Wohnungen anzubieten. Die Beurteilung des baulichen Zustands erfolgt zum Zeitpunkt des Erwerbs eher grob. Da dies den Anlagewert wesentlich beeinflusst, wird auf jeden Fall geklärt, ob wir bauliche Eingriffe machen müssen oder nicht. 

Und wie entscheiden Sie, ob das erworbene Gebäude ersetzt werden muss oder allenfalls zu erneuern ist?

Banz: Unsere Strategie besteht darin, erworbene Häuser zu belassen und so lang wie möglich weiter zu nutzen. Das hält die Mietzinse niedrig. Die Bewohner nehmen im Gegenzug substanzielle Mängel durchaus in Kauf. Beim Erwerb werden diese in unsere Zustandserfassung aufgenommen und ein theoretischer Erneuerungszeitpunkt festgelegt. 

Welche Bedeutung hat der Energieverbrauch einer erworbenen Liegenschaft?

Banz: Hauptsächlich wird der Zustand der einzelnen Bauteile bewertet, um den Sanierungsbedarf einer Liegenschaft abzuschätzen. Über das gesamte Portfolio wird zudem eine Prioritätenliste erstellt. Auch die Energiekennzahl ist eine wich­tige Entscheidungsgrösse; seit drei Jahren wird der Heizenergiebedarf jeder Immobilie systematisch erfasst. Bei zu hohem Verbrauch wandert eine Liegenschaft auf der Sanierungsliste nach oben. Doch ich muss auch sagen: Bei den meisten ­Häusern sind wichtigere Mängel zu beheben, etwa bei den sanitären Einrichtungen. 

Katrin Pfäffli: Nach meiner Erfahrung ist das die übliche Vorgehensweise. Man saniert, wenn etwas Substanzielles nicht funktioniert. Eine ungenügende Energiekennzahl ist für den Immobi­lien­markt kein zwingender Anlass für eine Gebäude­­erneuerung. Das ist nachvollziehbar: Nicht die Eigentümerschaft, sondern die Mieterschaft bezahlt jeweils die hohen Energiekosten. Den Wert einer Liegenschaft mindern dagegen substanzielle Mängel, weshalb man sich für solche Investitio­nen interessiert. Entsprechend gering sind die Anreize, auch für eine energetische Sanierung bis­weilen substanzielle Geldsummen zu investieren.

Banz: Als Stiftung der Stadt Zürich sind wir jedoch an den kommunalen Energieplan gebunden und müssen daher den Verbrauch der Liegenschaften reduzieren. Wenn beispielsweise Haushalts­geräte zu ersetzen sind, wählen wir nur die energie­effizientesten Produkte aus. Dagegen tauschen wir eine fossile Heizung erst aus, wenn die Anlage das Ende ihrer Lebensdauer erreicht hat. Ein vorzei­tiger Austausch ergibt wirtschaftlich keinen Sinn.

Wann wird eine energetische Erneuerung opportun, wie sie etwa bei der Aufstockung der Liegenschaft an der Saumackerstrasse realisiert worden ist?

Banz: Unsere Strategie war, die energetische Verbesserung wirtschaftlich umzusetzen und sie dazu mit einer Verdichtung der Liegenschaft zu kombinieren. Dank etwas höheren Mietpreisen für die zusätzlichen Wohnungen können wir die ­Massnahmen an der Gebäudehülle refinanzieren.
Dagegen sind die Kosten in den bestehenden ­Wohnungen nur geringfügig erhöht worden. Der Gegenwert umfasst hierbei grössere Balkone. 

Ist die Möglichkeit einer Aufstockung also der Schlüssel zu mehr Energieeffizienz?

Banz: Nicht unbedingt, das hängt primär von der Wirtschaftlichkeit ab und ist bei jedem Objekt individuell abzuschätzen. Die in Zürcher Wohnquartieren typischen Gründerzeithäuser eignen sich zum Beispiel kaum für eine Aufstockung. ­Solche Eingriffe wären derart aufwendig, dass sie dem Bestreben, preisgünstige Mieten zu erhalten, zuwiderlaufen. Es bräuchte eine Erschliessung mit Lift, und die neuen Wohnungen wären zu klein.

Pfäffli: Meiner Meinung nach ist die Strategie  richtig, eine energetische Verbesserung der Gebäudehülle bei einer sowieso anstehenden Sanierung anzugehen und dabei von Mitnahmeeffekten zu profitieren. Generiert eine Aufstockung, wie im genannten Beispiel, mehr Wohnraum, lassen sich die Investitionen für eine energetische Verbesserung durch höhere Einnahmen in dieser Immobilie quersubventionieren. Anbauten oder Aufstockungen sind deshalb beste Gelegenheiten, um eine Gebäudehülle energetisch zu verbessern. Für ­private und institutionelle Bauträger gibt das wahrscheinlich sogar den wirtschaftlich entscheidenden Ausschlag zu einer Gebäudeerneuerung. 

Aber werden nicht dadurch die Energiekosten im Betrieb reduziert, was die Nebenkosten für die Mieterschaft senken kann?

Pfäffli: Umfassende Eingriffe in die Gebäudehülle, die keinen qualitativen oder quantitativen Mehrwert für das Wohnangebot bringen, rechnen sich leider sehr oft nicht, weder für den Investor noch für die Mieterschaft. Trotzdem kann man Gutes tun, zum Beispiel Fenster ersetzen oder den Estrich dämmen. Derart gezielte Massnahmen bewirken viel und zahlen sich wirtschaftlich sogar schneller aus. Allerdings braucht es hierzu oft eine fachlich fundierte Beratung und einen sorgfältigen Blick auf die Bauphysik. 

Banz: Wir machen genau diese Erfahrung: Mit einem gedämmten Estrichboden oder einer Kellerdecke lässt sich viel Energie einsparen. Wir versuchen den Charakter einzelner Gebäude zu erhalten, auch wenn sie nicht als Baudenkmal ­geschützt sind. Dafür nehmen wir gern bauphysikalisch etwas kompliziertere Eingriffe wie eine Innendämmung in Kauf. In einer Portfoliostrategie ergibt die Gesamtsicht sehr viel Sinn. Jedes Ge­bäude so dick wie möglich einzupacken lohnt sich nicht. Wir verfolgen ein übergeordnetes Sparziel und passen dies den Einzelobjekten individuell an

Die Fachwelt spricht häufig vom Sanierungsstau. Wie beurteilen Sie den aktuellen Umgang mit dem Ge­bäudebestand, wirtschaftlich und energetisch?

Pfäffli: Gemessen an der generellen Substanz des Gebäudebestands habe ich eigentlich geringe Sorgen: Unser Bestand ist in einem hervorragenden Zustand; baufällige Häuser gibt es hier kaum. Sie sind – um es frei nach Vitruv zu sagen – schön, sicher und funktionstauglich. Insofern gibt es keinen Sanierungsstau in der Schweiz. Auf die Energie fokussiert ist jedoch einiges zu verbessern. Wobei es kurzsichtig wäre, ausschliesslich die Heiz­energie zu betrachten. Diesbezüglich gilt es, die Augen an vielen Orten zu öffnen: Als Folge des Klimawandels wird der Heizwärmebedarf gegenüber dem Kühlbedarf in den Hintergrund treten. Die bald hundertjährigen und geliebten Gründerzeitbauten dürften dank den dicken Aussenwänden, der hohen Speicherkapazität und den eher kleinen Fenstern energetisch besser abschneiden als viele Neubauten. Bei diesen Bauten von einem Sanierungsstau zu sprechen halte ich deshalb für vorschnell.

Banz: Institutionelle Bauträger bewirtschaften ihre Immobilien sicher systematischer als die vielen Privatleute, die einen grossen Anteil am Gebäudebestand besitzen. Ein weiterer Unterschied ist häufig auch das Fehlen einer langfristigen Strategie. So fällt am Markt auf, dass Liegenschaften dann zum Verkauf ausgeschrieben sind, wenn eigentlich eine Sanierung fällig ist. Von solchen Angeboten lassen wir die Hände, weil wir dann unsererseits keine niedrigen Mietzinse mehr anbieten können. Denn in der Stadt Zürich sind bereits die Erwerbskosten für solche Objekte hoch. Kommen Erneue­rungs­investitionen zusätzlich dazu, erhöhen sich die Wohnungsmieten. Eine Gebäudeerneuerung ist an sich schon teuer, weil viele baulichen und technischen Auflagen zu beachten sind. 

Pfäffli: Das wirkt manchmal hemmend: Bei einer Gesamtsanierung kommt ein ganzes Anforderungspaket auf die Bauträgerschaft zu – das kann zu viel werden. Eine beabsichtigte Sanierung kann so durch allzu hohe Auflagen blockiert werden. Wird ein Gebäude jedoch deswegen nicht ­saniert, konsumiert es weiterhin so viel Energie, wie es eben braucht. Und auch bei Brandschutz, Erd­bebensicherheit, Schallschutz oder Behinder­ten­­gerechtigkeit werden diese Bauten den heutigen Anforderungen in der Regel kaum gerecht. Es wäre daher sinnvoll, die Vorgaben für eine Gebäudeerneuerung im Gesetz etwas flexibler auszugestalten. 

Banz: Dazu kann ich ein Beispiel geben, wie wir mit Auflagen umgehen. Wir wollen ein Wohnhaus aus dem 19. Jahrhundert sanieren, ohne den Charme des Originals zu zerstören; es fehlen aber eine Zentralheizung und richtige Bäder. Darum sehen wir innen und aussen von einer umfassenden Gesamterneuerung ab. Stattdessen bauen wir eine Zentralheizung ein und passen sonst nur Küche und Bad an; auf eine Brandschutzertüchtigung können wir nun verzichten. Eine derart schonende Sanierungsstrategie passt besser zu diesem Haus als ein Ersatz, den wir auch geprüft haben. So können wir auch in diesem Objekt die nächsten 30 Jahre ausserordentlich niedrige Mietpreise anbieten. 

Um die Energieeffizienz im Gebäudebestand zu erhöhen: Bei welchen Argumenten werden Bauträgerschaften besonders hellhörig?

Pfäffli: Den Energiebedarf im Betrieb als entscheidende Grösse für eine Sanierung zu deklarieren, halte ich für einen falschen Weg. Nicht nur, weil das nicht gut ankommt, sondern weil es auch sachbezogen nicht stimmt. Nachhaltigkeit meint viel mehr als nur Energieeffizienz. Sogar bei minderprächtiger Energiebilanz gibt es gute Gründe, bestehende Gebäude unverändert weiterzunutzen. Da deren graue Energie bereits abgeschrieben ist, lässt sich ein etwas höherer Energieverbrauch noch einige Zeit gutschreiben. Zudem ist die Reduktion der Treibhausgasemissionen mindestens so wichtig wie ein geringer Energiekonsum. Der Austausch der Gebäudetechnik oder ein Wechsel zu erneuerbarer Energie kann hierzu einiges Gutes auf einfache Weise bewirken.

Was heisst das generell für den Umgang mit dem Gebäudebestand?

Pfäffli: Wir sollten diesen hoch schätzen und gut unterhalten. Die Krux liegt darin, dass nicht alle Gebäudetypen zum Umbau oder zur Erneuerung taugen. Bei den schlanken Zeilenbauten der 1940er- und 1950er-Jahre ist die Tauglichkeit stark eingeschränkt; konstruktive und bauphysikalische Eingriffe sind oft heikel. Sie wurden ausserdem mit möglichst wenig Material gebaut, so dass weder eine Aufstockung noch ein Anbau machbar ist. Eine Sanierung von Bauten mit schlechter ­Ökobilanz und einer mangelhaften Ausnützung der Bauparzelle ist oft nicht zielführend.

Banz: Einen passenden Mittelweg im Umgang mit bestehender und allenfalls unternutzter Bausubstanz zu finden ist schwierig. Uns widerstrebt grundsätzlich, funktionierende Bausubstanz zu zerstören. Denn damit geht günstiger Wohnraum verloren. Andererseits lohnt es sich bei bestehenden Liegenschaften, die Nutzungsreserven aus­zuschöpfen. Das ergibt oft niedrigere Mieten im Vergleich zu Wohnungen in einem auf dem derzeit teuren Liegenschaftenmarkt erworbenen Haus. Daher suchen wir jeweils Kompromisse. In einem aktuellen Erneuerungsvorhaben in Zürich Unterstrass lassen wir zwei Wohnbauten mit sehr tiefen Mieten stehen und ersetzen ein kleines Gebäude durch ein viel grösseres Bauvolumen. 

Welche Überlegungen sind bei einem Ersatzneubau anzustellen?

Pfäffli: Damit ein Neubau nachhaltig und kostengünstig realisiert werden kann, gilt es den ­Konsum an Wohnfläche zu reduzieren. Das ist die nachhaltigste Form des Energiesparens. Der ­Ressourcenaufwand zum Heizen, Lüften und Beleuchten nimmt nämlich proportional zur Nutz­fläche zu. Ein suffizienter Umgang mit Flächen und ein Raumkonzept, das die gesetzlichen Vorgaben erfüllt, beanspruchen unterm Strich weniger ­Ressourcen als ein optimal gedämmter, aber viel zu grosser Vorzeigebau. Gebäude mit hochge­züchteter Technik sind zudem teuer im Unterhalt und erschweren die spätere Erneuerung.

Banz: Das ist so: Gebäude, die erst zehn oder 15 Jahre alt sind, bereiten uns manchmal mehr ­Sorgen als ältere Bauten. Sie sind komplizierter und mit mehr Technik erstellt. Und ja, vor einigen ­J­ahren haben wir in unseren Wettbewerbsvor­gaben die Wohnungsflächen markant reduziert.
Dies ist nicht nur ökologisch sinnvoll, sondern reduziert auch die absolute Miete dieser Wohnungen. Generell sind Kleinwohnungen mit mode­raten Flächen in Städten wieder besonders gefragt.
 


Ein Drittel unter Marktniveau
Die Stiftung zur Erhaltung von preisgünstigen Wohn- und Gewerberäumen der Stadt Zürich (PWG) bewirtschaftet 147 Liegenschaften mit rund 2000 Wohnungen und Gewerbeflächen. Seit Eröffnung der Geschäftsstelle 1991 erwirbt sie jährlich bis zu 11 Immobilien. Die Gründung der gemeinnützigen Stiftung geht auf eine Volksinitiative im Jahr 1985 zurück. Darin ist der Auftrag formuliert, preisgünstige Wohn- und Gewerberäume zu erhalten und solche auch in Neu­bauten zu schaffen. Die Mieten in PWG-Objekten liegen im Durchschnitt rund ein Drittel unter dem Marktniveau. 


Der Artikel ist erschienen im Sonderheft «Immobilien und Energie», ein Projekt mit dem Immobilienberatungsunternehmen Wüest Partner und mit Unterstützung von Energie­Schweiz. Weitere Beiträge zum Thema haben wir in einem digitalen Dossier zusammengestellt.

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