Ge­klebt, nicht ge­dreht

Für höher beanspruchte Verbindungen im Holzbau reichen die neu entwickelten langen, aber relativ dünnen Vollgewindeschrauben nicht aus. Seit drei Jahrzehnten ist es jedoch möglich, mit profilierten Stahlstäben oder Gewindestangen grosse Kräfte in Holzbauteile, insbesondere aus Brettschichtholz, zu übertragen. Bis heute ist die Verbindungstechnik mit eingeklebten Stahlstäben so weit perfektioniert worden, dass bei Belastungsproben zuerst der Stahlstab fliesst, bevor der Klebstoff oder das Holz versagen.

Publikationsdatum
27-05-2013
Revision
28-10-2015

Mit parallel oder rechtwinklig zur Faserrichtung in Brettschichtholz eingeklebten profilierten Stahlstäben können auf kleiner Fläche grosse Kräfte in Holzbauteile eingeleitet werden. Meist werden Bewehrungsstäbe oder Gewindestangen mit metrischem Gewinde verwendet. Gewindestangen ermöglichen effiziente Verstärkungen von hoch beanspruchten Bereichen in Holzbauteilen und einfache, praxisgerechte Anschlüsse, auch an Beton- und Stahlteile.

Eingeklebte Stahlstäbe werden sowohl beim Neubau als auch bei der Instandsetzung von Holztragwerken eingesetzt. Die Stäbe können dabei axial, rechtwinklig zur Schaftrichtung oder in beide Richtungen gleichzeitig beansprucht werden. Dabei weisen derartige Verbindungen hohe Festigkeiten und Steifigkeiten auf. 

Holz, Stahl und Klebstoff

Seit mehr als 30 Jahren werden Verbindungen mit eingeklebten Stäben erforscht und in der Praxis des Ingenieurholzbaus, vorwiegend bei Brettschichtholz, erfolgreich eingesetzt.1 Einsatzbereiche sind Stützenverankerungen in Fundamenten, biegesteife Verbindungen von Holzbauteilen (Trägerstösse, Rahmenecken) und Anschlüsse an Träger rechtwinklig oder schräg zur Faserrichtung.

Weitere gängige Anwendungen sind die Verstärkung von Trägern (Schub, Querzug) in hoch beanspruchten Bereichen wie Aufsattelungen, Durchbrüchen und Ausklinkungen sowie die lokale, auf kleine Kontaktflächen begrenzte Einleitung grosser Kräfte rechtwinklig zur Faserrichtung (Querdruck). Ein Vorteil dieser Verbindungsart ist die «unsichtbare» Einbettung des Stahlstabs im Holz, die neben optischen Vorzügen auch Vorteile beim Brand- und Korrosionsschutz bietet.

Die Klebstoffindustrie hat speziell für das Einkleben von Gewindestangen in Holz optimierte Klebstoffe entwickelt (vorwiegend 1- und 2-Komponenten-Epoxidharze sowie PUR-Kleb­stoffe), die auf einfache Weise appliziert werden können, hohe mechanische Kennwerte aufweisen und dauerhaft sind. 

Was braucht es für eine gute Gewindestangenverbindung 

Verbindungen mit eingeklebten profilierten Stahlstäben gehören zu den leistungsfähigsten Verbindungsarten im modernen Holzbau.2, 3 Bei der Bemessung, der Wahl der Komponenten und der Herstellung sollte der Systemgedanke im Vordergrund stehen: Die Verbindung, bestehend aus Stahlstab, Brettschichtholz, Klebstoff, geometrischen Parametern (u. a. Rand- und Zwischenabstände), Ausführung / Montage und Qualitätskontrolle, muss ganzheitlich betrachtet werden.

Optimale Leistungen erbringen Gewindestangenverbindungen, wenn eine Reihe von Voraussetzungen erfüllt sind bzw. Regeln eingehalten werden. So müssen bei Anschlüssen parallel zur Faserrichtung die Querschnittsflächen von Stahlstangen und Holzstab entsprechend den Zugsteifigkeiten im Holz und im Stahl abgestimmt sein. Auch das Bruchdehnungsvermögen des Holzes parallel zur Faser ist zu berücksichtigen. Dabei muss die Dehnung des Stahlstabs, der jeweiligen Holzart angepasst, begrenzt werden. 

Obwohl zwischen dem Klebstoff und dem Stahlstab eine gewisse Haftung besteht, ist eine sichere Kraftübertragung nur durch eine mechanische Verzahnung zwischen Klebstoff und Stahlstab möglich. Die eingesetzten Stahlstäbe müssen daher eine Profilierung aufweisen, wie beispielsweise Rippen (Bewehrungsstähle) oder aufgerollte bzw. eingeschnittene Gewinde (Gewindestangen).

Die Verbindung muss so ausgelegt werden, dass im Bruchzustand die Stahlstangen (duktil) versagen und das spröde Versagen des Holzes (Schubbruch in der Klebfuge) oder des Klebstoffs (Kohäsions- und Adhäsionsbruch) ausgeschlossen bleiben. Bei Zugverbindungen mit mehreren gleichzeitig wirkenden Stäben kann die notwendige gleichmässige Kraftverteilung auf die einzelnen Stäbe nur bei ausreichender Duktilität des Einzelstabanschlusses erreicht werden.4

Bei zu geringen Rand- und Achsabständen erfolgt ein Aufspalten des Holzes infolge Überschreitung der Querzugfestigkeit. Die Abstände dürfen aber auch nicht zu gross gewählt werden, sonst sinkt die Anschlussleistung (die übertragbare Kraft) der Verbindung. Wird die effektive Verankerung des Stabs ins Holzinnere verlegt, zum Beispiel durch Abkleben oder Abdrehen des Gewindes, kann das Aufspalten durch das grössere «Vorholz» minimiert werden.

An beiden Enden der Verankerungszone ergeben sich Schubspannungsspitzen, die das Gesamttragverhalten der Verbindung ungünstig beeinflussen bzw. die Leistung reduzieren. Es gibt verschiedene Ansätze, um die Spannungsspitze am oberen Verankerungsende zu reduzieren oder die Spannungsverteilung in der Verankerung günstig zu beeinflussen.

Dazu gehört etwa das Ansenken des Bohrlochs bzw. eine abgesetzte Bohrung mit grösserem Durchmesser an der Holzoberfläche. Auch mit einer Aufweitung des Bohrlochgrunds und der dadurch ermöglichten Bildung eines zwiebelförmigen Klebstoffklumpens am Bohrlochgrund wurde erfolgreich experimentiert.

Vorsorge ist besser als Instandsetzung

Im verbauten Zustand sind die Verbindungsmittel fast nicht mehr sichtbar, ihre nachträgliche visuelle Kontrolle ist praktisch nicht mehr möglich. Eine zuverlässige Qualitätskontrolle ist daher zwingend. Dabei müssen neben dem Klebstoff Mischverhältnis/Aushärtungsprozess) auch die Gewindestangen und das Holz umfassend geprüft werden.

Die Qualität der Verbindungen hängt zudem im hohen Mass von der Ausführungsqualität der Bearbeitungen ab. So hat die Bohrlochqualität einen entscheidenden Einfluss auf die Festigkeit einer Verbindung. Anschlüsse mit hoher Leistung sollten durch Spezialfirmen ausgeführt werden, die über genügend Fachkenntnisse und entsprechende Erfahrung verfügen.

Für die Bemessung der Verbindungen gibt es teilweise widersprüchliche Ansätze, die zudem auf unterschiedlichen Annahmen und experimentellen Grundlagen beruhen. Die Konsensfindung in der Normierung ist entsprechend schwierig, was Innovationen behindert.

Mit der Erarbeitung von Produktenormen oder dem Inverkehrbringen eines Produkts auf Basis einer technischen Zulassung können Hersteller und Lieferanten das Dilemma unterschied­licher Normen umgehen. Auf dem Markt sind Klebstoffe und Ankertechnologien erhältlich, für die allgemeine bauaufsichtliche Zulassungen zum Einkleben von Stahlstäben in tragende Holzbauteile vorliegen. 

Literatur
1 G. Tlustochowicz, E. Serrano, R. Steiger: «State-of-the-art review on timber connections with glued-in steel rods» in: Materials and Structures 44 (5)/2010. S. 997–1020.
2 E. Gehri: «Leistungsfähige Anschlüsse parallel zur Faser – Anforderungen und technische Lösungen» in: Tagungsband zur 6. Grazer Holzbau-Fachtagung,
28. September 2007. S. E1–E16.
3 T. Strahm: «Verbindungen mit grosser Leistung» in: Tagungsband zum 41. SAH-Fortbildungskurs. 27./28. Oktober 2009, Weinfelden. S. 79–85.
4 E. Gehri: «Ductile behaviour and group effect of glued-in steel rods» in: Proceedings PRO 22 of the International RILEM Symposium on Joints in Timber Structures. 12.–14. September 2001, Stuttgart. S. 333–342.

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