Funk­tio­na­lis­mus al­la ve­ne­zia­na

Kolumne

Publikationsdatum
24-07-2014
Revision
10-11-2015

Hätte der IV. Kongress des CIAM (Congrès International d’Architecture Moderne) 1933 nicht auf einem Schiff stattgefunden, sondern in Venedig, sähe die Welt heute anders aus. Denn in Venedig hätten Le Corbusier und seine Mitstreiter die Charta von Athen niemals verabschiedet. Stattdessen hätten sie sich nachts auf dem Weg vom Restaurant ins Hotel verlaufen. Sie wären dunklen Gassen gefolgt, die in Kanäle münden, und hätten frustriert auf das unerreichbare Ufer auf der anderen Seite gestarrt. Stolpernd hätten sie eine Brücke gesucht. Und am nächsten Tag hätten sie, müde und verkatert wie sie waren, eine tiefe Einsicht gehabt: Die funktionalistische Stadt ist doch nicht das Wahre. Eine strikte Trennung der Verkehrswege wie in der Lagunenstadt – hier nur Fussgänger, dort nur Schiffe – mag zwar logisch klingen, doch in der Praxis taugt sie nichts, weil sie unflexibel ist. Einer der CIAM-Leute, durch das Los dazu bestimmt, hätte zum Beweis einen Kanal schwimmend überquert. Ein anderer hätte versucht, eine Gondel über einen Campo zu schleifen. Und dann hätten sie sich feierlich von monofunktionalen Elementen wie Fussgängerzonen, Schnellstrassen und Personenunterführungen losgesprochen. In der Charta von Venedig hätten sie urbane Verkehrszonen mit gemischter Nutzung gefordert.

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