Fri­sche Ideen für al­ten Be­stand

FEB-Preis 2017

Damit bauliche Zeitzeugen nicht gänzlich verschwinden, muss man sie erhalten und ab und zu Neues und Altes verbinden. Die Gekürten des FEB-Preises 2017 zeigen in ihren Arbeiten hierzu Möglichkeiten auf.

Publikationsdatum
10-08-2017
Revision
10-08-2017

Neben historisch wertvoller Bausubstanz geraten immer öfter Industrie- und Infrastrukturbauten aus dem letzten Jahrhundert ins Visier der Denkmalpfleger, Architekten und Städteplaner. Denn durch Siedlungsausdehnungen aus peri­pheren Rand­gebieten sind sie mittlerweile ins Zentrum vorgerückt, oder sie können aufgrund ihrer üppigen Ausdehnungen einen eigenen Mittelpunkt neuer Quar­tiere bilden. 

Der SIA-Fachgruppe für die Erhaltung von Bauwerken FEB liegt es am Herzen, solche über Jahr­zehnte charakteristischen Bauten respektive Quartiere auch zukünf­­tig zu bewahren – ergänzt und bestenfalls verschönert durch zeitgemässe Nutzungen. Hierfür lobt die Fachgruppe den jährlichen FEB-Preis für studentische Arbeiten aus, die in jedweder Form zum Bauwerkserhalt beitragen. Zwei Studierende der Architektur und ein Bauingenieur dürfen sich 2017 über eine Auszeichnung  freuen, weitere fünf aus den insgesamt 35 eingereichten Arbeiten erhielten eine Anerkennung der Jury.

Detaillierte neue Verteilung

Dort, wo bis 2018 Waren eines grossen schweizerischen Detailhändlers disponiert werden, sollen sich nach der Idee von Rebecca Silva zukünftig Menschen auf verschiedenen Ebenen verteilen – vom Untergeschoss bis zum Dach. Geschickt lässt sie grosse Teile des Verteilzentrums in Pratteln für eine zukünftige Gewerbenutzung stehen, stockt auf den Bestand Wohnraum auf und schafft somit eine nutzbare Dachlandschaft  für die Bewohner anstelle früherer monotoner Industriedächer.

Neubauten an den lärmabgewandten Flanken des Areals schaffen viel zusätzlichen Wohnraum, umgürten den parkähnlich angelegten Innenraum des Quartiers und vermitteln mit der vorhandenen, ergänzten Überbauung gleichzeitig einen städtischen Eindruck nach aussen hin. Die gewählten Gebäudeformen nehmen die Grossform der ehemaligen Industriebauten auf und bilden so eine sichtbare Reminiszenz an die Vergangenheit des Quartiers. Hierzu trägt auch die gut gelungene Einbindung des geschützten, aus dem Jahr 1907 stammenden Hauptgebäudes  und des Zuckersiloturms in das zukünftige Ensemble bei.

Haus im Haus

Eine Integration neuer Bauten in den Bestand der komplett zu erhaltenden Shedhalle «Schappe» im Quartier Reussbühl West LU findet auch bei Flavio Staffelbach statt. Jedoch muss man sich schon in das Gebäude der ehemaligen Seidenfabrik hineinbegeben, um das Neue zu sehen. Frei stehende, von der Gebäude­fassade losgelöste Einheiten beherbergen eine zukünftige, gemischte Wohn- und Gewerbenutzung. Die Räume erhalten ihr Tageslicht von oben, der Anschluss der benötigten Medien erfolgt elegant vom Untergeschoss her.

Die um die neuen Räume verbleibenden Bereiche dienen als Verkehrsflächen und wirken gleichzeitig als Klimapuffer. Dadurch entfallen aufwendig Dämmarbeiten und Eingriffe an der alten Bausubstanz der Hallenfassaden. Gleichzeitig bleibt die Dimension der alten Halle auch in ihrem Innern weiterhin erfahrbar. Das «Haus im Haus»-Konzept besticht durch den schonenden Umgang mit der bestehenden Bausubstanz und eine relativ einfach umsetzbare, ökonomische Nutzung der alten Halle.

Prüfen und belassen

Noch ökonomischer und dadurch auch ökologischer sind die Ergebnisse der Arbeit von Uwe Dux. Er überprüft die Eisenbahnbrücke über die Töss bei Wila auf Trag- und Ermüdungssicherheit. Die genietete, schiefwinklig gelagerte Fachwerkbrücke aus dem Jahr 1946 wartet mit einer konstruktiven Besonderheit auf. Ihre beiden Fachwerkträger  liegen um ein Feld versetzt zueinander. Für die Nachweise verfeinert Uwe Dux das statische Modell schrittweise und diskutiert die Lage­rungs- und Knotenbedingungen. In Zusammenarbeit mit der Empa werden die Untergurte der Hauptträger mittels Laser vermessen. Unter Berücksichtigung der planmässigen Erhöhung aus den Originalplänen können die Messdaten mit dem verwendeten Rechenprogramm nachvollzogen werden. 

Im Bereich der berechneten Ergebnisse liegen auch die gemessenen Schwingungen der Brücke. Die einzelnen Achsen der durchfahrenden Züge führen in den Quer- und Längsträgern zu zahlreichen Spannungswechseln. Dadurch sind die einzelnen Träger ermüdungsanfälliger als etwa die seitlichen Fachwerke. Ein besonderes Augenmerk wurde daher auf Dehnungsmessungen in den Trägern unter Normalverkehrsbetrieb gelegt, um das Verhalten der Bauteile besser abbilden zu können.

Die Resultate der Arbeit sind erfreulich: Die Tragsicherheit der Brücke ist im heutigen Zustand gegeben, und selbst den ermüdungsanfälligsten Bauteilen kann bei genügender Überwachung eine Restnutzungsdauer von mehr als 160 Jahren bescheinigt werden. Ergebnisse, die zum Namen der Fachgruppe perfekt passen.

Weitere Infos: http://feb.sia.ch​

Auszeichnungen
 

«Eisenbahnbrücke Turbenthal–Wila»:
Semesterarbeit im Masterstudium Bauingenieurwesen, Uwe Dux, HSR


«Areal Verteilzentrum Coop, Pratteln»:
Masterthesis Architektur, Rebecca Silva, FHNW


«Umnutzung Shedhalle ‹Schappe› – Reussbühl West»:
Bachelorarbeit Architektur, Flavio Staffelbach, Hochschule Luzern

 

Anerkennungen
 

«Statische Überprüfung der Tössbrücke Schöntal»:
Bachelorarbeit Bauingenieurwesen, Ariadna Bacallado Felipe, Hochschule Luzern


«Reform»: Masterthesis Architektur, Urs Bösch, ZHAW


«Optimal intervention programs on rail networks»:
Masterthesis Bauingenieurwesen, Marcel Burkhalter, ETH Zürich


«Umnutzung Shedhalle ‹Schappe› – Reussbühl West»:
Bachelorarbeit Architektur, Simone Durrer, Hochschule Luzern


«Raumhaltige Fassadensanierung»:
Masterthesis Architektur, Oliver Schmid, ZHAW

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