Et­to­re Sott­s­ass – Form, Far­be und Funk­ti­on

Ettore Sottsass (1917– 2007) war ein höchst eigenwilliger Architekt und Entwerfer von Industrieprodukten und Möbeln. Er tat stets das Unerwartete und war als Gestalter nie wirklich einzuordnen. In der Galleria della Architettura der Triennale in Mailand ist sein Werk in einer Retrospektive zu sehen.

Publikationsdatum
17-01-2018
Revision
25-06-2018

Nach seinem Architekturstudium in Turin eröffnete Ettore Sottsass 1950 sein Studio in Mailand. Für die Florenzer Möbelfirma Poltronova entwarf er als künstlerischer Leiter Möbel und Leuchten. International bekannt wurde er aber ab 1959 mit seiner Arbeit für Olivetti. Drei Jahrzehnte lang war er für den Konzern tätig und gestaltete dort vom Grosscomputer bis zur tragbaren Reiseschreibmaschine alle möglichen Geräte. Einbinden lassen in eine Firmenhierarchie hat er sich nie, weder bei Olivetti noch bei anderen Auftraggebern.

Memphis – die Möbelrevolution

1980 landete Sottsass gemeinsam mit Michele De Lucchi, Matteo Thun, Barbara Radice und anderen einen unerwarteten Coup: «Memphis» – eine Möbelserie, die, knallbunt und ungewöhnlich geformt, vor allem die von den Lehren des Bauhauses, von de Stijl und anderen geprägte Moderne des Möbelbaus mit einem Schlag förmlich auf den Kopf stellte. Auslöser dafür war ein Streit der damaligen Mitglieder von Studio Alchemia (1976 bis etwa 1980) Michele De Lucchi und Ettore Sottsass mit den produzierenden Firmen. Die beiden Entwerfer wollten damit die gängige Praxis durchbrechen, dass allein die Auftraggeber das Was, Wann und Wie einer Produktion bestimmten.

Die Gruppe Memphis schuf Möbel im Spannungsfeld zwischen Gebrauchswert und Skulptur, die radikal anders erschienen als alles bisher Gesehene. Leuchten wie Vögel oder kleine Triumphbogen, Tische geformt wie Kabelrollen, Regale mit schrägen Seitenteilen, versilberte Messingstützen kombiniert mit Leichtplatten aus Holz, die mit farbigen Laminaten verkleidet «Billiges» mit «Edlem» verbanden – die Konventionen wurden über den Haufen geworden. Dennoch erfüllten diese Objekte stets auch die Erwartungen an ihre Funktion.

There is a Planet

Die Schau in der Triennale zeigt Skizzen, Entwürfe, Prototypen, Schriften, Publikationen und Serienprodukte aus der Hand von Ettore Sottsass unter dem leicht rätselhaften Titel «There is a Planet». Ursprünglich war dies der Titel eines Buchs, das Sottsass um 1990 beim deutschen Verlag Wasmuth plante, das aber nie verwirklicht wurde. Nun ist es bei Electa erschienen und begleitet die Ausstellung. Diese ist in neun Themen aufgeteilt und umkreist die Genres, die Sottsass stetig beschäftigten: Architektur, Design, Fotografie, Malerei, Objekte, Möbel, Skulpturen, Glas und Keramik sowie Publizistik und Schreiben.

Entlang den Wänden der Galerie, von der aus die neun thematisch geordneten Räume erschlossen sind, stehen entsprechende Werke und Fotografien zu den einzelnen Themen. Sie sind in etwa chronologisch geordnet und zeigen Räume bis ins Jahr 1955, Design aus den 1950er- bis 1960er-Jahren und weiter unter Titeln wie «Erinnerungen aus Schlagrahm» (sic!) um 1960, politisches Design (1970), «Bebende Strukturen» (1970–1980), «barbarisches Design» (1980), Ruinen (1990), wirklicher Raum (1980–1990) sowie letztlich auch Werke unter dem Titel «Ich möchte wissen, weshalb …» (bis Ende 2007).

Ettore Sottsass – der Unfassbare

Ettore sei stets wie ein Rätsel geblieben, obwohl sie über 30 Jahre mit ihm gelebt habe, gesteht die Kuratorin der Ausstellung, Barbara Radice. Schliesslich sei er, als sie ihn kennenlernte, 59 Jahre alt gewesen und sie fast 30 Jahre jünger. Für die Ausstellung habe sie damit begonnen, seine Schriften zu sichten: Ankündigungen, Informationen, Erinnerungen, Bekanntes, Verwünschungen, Bekenntnisse und Projekte. Ettore sei eine Art Archipel gewesen. Ihn zu fassen bedinge die Umrundung seines Denkens und Wirkens und Ausflüge ins Innere. Charakteristisch sei Sottsass’ stete Neugier auf Unbekanntes gewesen. Daraus habe sich die Fähigkeit ergeben, immer wieder neu zu überraschen, eine ausgesprochenen Freiheit des Tuns und des Ausdrucks.

Die Ausstellung «Ettore Sottsass – there is a planet» wirkt persönlich, eigentlich poetisch, fast verschlossen und auch magisch. Sie basiert auf den profunden Kenntnissen von Barbara Radice, die Dokumente und Objekte von Institutionen, Galerien und privaten Sammlern zusammengetragen hat. Diese bemerkenswerte Ausstellung, gestaltet von Michele De Lucchi und Christoph Radl, ist in der Triennale Milano noch bis und mit Sonntag, 11. März 2018 zu sehen.

Ettore Sottsass – There is a Planet
In der Triennale Milano, Viale Alemagna 6, Mailand
Di–So 10.30–20.30 Uhr
Weitere Infos: www.triennale.org

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