Es braucht ihn doch: den Aus­bau der Au­to­bahn

Replik auf «Der Ausbau der Autobahn entstaut diese nicht» (TEC21 10–11/2018)

Trotz den kommenden technologischen Entwicklungen müssen die Ausbaupläne des Bundesrats für das Nationalstrassennetz umgesetzt ­werden, finden die Leiter der Tiefbauämter der beiden Basler Halbkantone. Ihre Replik auf den ­Kommentar von Thomas Müller.

Publikationsdatum
31-05-2018
Revision
07-06-2018

Laut Thomas Müller wer­­den «selbstfahrende Fahrzeuge» zu «einer erheblichen Effi­zienzsteigerung» führen, und «Drohnen zur Personenbeförderung» werden ‹die Strassen enorm ent­las­ten›. Also denken wir einmal nach und machen das, was Planer gut ­können: mit Zahlen spielen. Die Ost­tangente in Basel beispielsweise wird im Jahr 2040 ohne weitere Aus­bauten je nach Querschnitt mit ca. 120 000 bis 140 000 Personenwagen (Pkw) am Tag ausgelastet sein. Das ist etwa ein Drittel über der Kapa­zität für eine noch genügende Qua­li­tät des Verkehrsablaufs. Deshalb soll u.a. der Rheintunnel erstellt werden.

Packen wir also die Fahrerinnen und Fahrer dieser zu vielen Fahrzeuge in die Drohnen. In den Autos sitzt meist nur eine Person. Also setzen wir grosszügig zwei Personen in eine Drohne. Zur mor­gendlichen Spitzenstunde sind auf der Ost­tangente ca. 1500 Pkw zu viel unterwegs. Deren 1500 Fahrer bräuchten 750 Drohnen. Die flögen dann nach Basel. Die Basler würden sich freuen: Da landen ­zwischen 7 und 8 Uhr früh 750 Drohnen – alle fünf Sekunden eine. Vermutlich hat es in unseren weiter ver­dichteten Agglomera­tionen nicht so viel Platz, um alle Drohnen abzu­stellen. Also fliegen die, vollautonom, zurück. Und kommen am Abend wieder, um ihre Leute abzuholen.

Wie realistisch solche Szenarien sind, darüber zu streiten lohnt mangels heutigen Wissens nicht. Klar ist: Ohne Lärm werden die bis zu 24 Rotorblätter (wie bei der Drohnen-Studie «Pop Up» von Airbus und Italdesign) nicht arbeiten. Gene­rell wird die Akzeptanzfrage sicher Diskussionen auslösen: Warum verkehrsberuhigen wir un­se­­­re Städte und Gemeinden, wenn wir künftig das Chaos am Himmel zulassen? Und auch infrage zu stellen wäre, ob diese Fortbewegungsart dann völ­­lig ohne öffentliche Mittel auskommt.

Selbstfahrende Autos überschätzt?

Auch bei den selbstfahrenden Fahrzeugen gilt: Noch ist unklar, welche Effizienzsteigerungen mit ihnen möglich sein werden. Zwar wird man derzeit überschwemmt von Meinungen und Studien, zumeist bleibt aber unklar, wie belastbar deren Aussagen sind – und wer mit welchem Interesse dahintersteht. Darum haben Astra und VSS zu die­sem Thema grössere Forschungspakete initiiert. Es wäre nur seriös, deren Ergebnisse abzuwarten.

Erste Erkenntnisse lassen zumindest vermuten, dass die vielfach prognostizierten Effizienzgewinne nicht so hoch ausfallen werden. So benennen das Karlsruher Institut für Technologie und die Technische Universität München die Kapazitätssteigerungen im realen Autobahnnetz auf gerade einmal 30 %. Und das bei einem dazu erforderlichen Durchdringungsgrad von 80 % an autonomen Fahrzeugen. Diese müssen mindestens dem Level 4 des vollautoma­tisierten Fahrens genügen. Solche Vehikel sind heute noch nicht verfügbar, erste Level-3-­Fahrzeuge (automatisiertes Spur-, Abstands- und Tempohalten sowie Spurwechsel) werden in den nächsten Jahren auf den Markt kommen.

Vor dem Hintergrund der Strukturen und Erneuerungsrhythmen des Fahrzeugbestands könnte die erfor­der­liche 80 %-Durchdringung mit Level-4-Fahrzeugen im Jahr 2065 erreicht sein. Ähnlich wie bei den Drohnen wird in diesem Zusam­menhang von einer Zunahme der Fahrten ausgegangen – durch Leerfahrten und eine Ausdehnung der individuellen Mobilität mit entsprechender zusätzlicher Nachfrage. Wo genau sollen alle diese Mehrfahrten auf nicht ausgebauten Strassennetzen abgewickelt werden? Und auch das autonome Fahren wird sich kritischen Diskussionen zum Nutzen stellen müssen.

Es bleiben also noch viele Fragen offen, deren Klärung Jahre in Anspruch nehmen wird. Zur Erinnerung: Auf der Basler Osttangente fehlen im Jahr 2040 ca. 35 % Kapazitäten. Wollen wir bis dahin wirklich die Hände in den Schoss legen? Nur weil derzeit viele Spekulationen über unser künftiges Verkehrssystem kursieren?

Sicher: Die technologischen Entwicklungen und deren Möglichkeiten müssen zwingender Bestandteil einer ganzheitlichen Optimierung unserer In­frastrukturen sein. Mit Verkehrs­management sowie der Vernetzung mobiler und fahrzeugtechnischer Systeme wird das bereits praktiziert. Ebenso muss der öffentliche Verkehr ausgebaut werden. Aber ohne die vom Bundesrat vorgesehenen Ausbauten des Nationalstrassennetzes werden wir die bis 2040 prognostizierten Be­völ­kerungs­zunahmen bei gleichzeitig zunehmender individueller Mobilität nicht bewältigen können.
 

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