En­er­gie­wen­de bringt Wohl­stand: Herbst­se­mi­nar an der Bau- und En­er­gie-Mes­se

Am 8. November 2012 fand in Bern die Eröffnung der Schweizer Bau- und Energie-Messe und das diesjährige Herbstseminar statt. Unter dem Titel «Wege zur Energiewende – Neue Dimensionen im energieeffizienten Bauen» präsentierten zehn Referenten – Referentinnen suchte man leider vergebens – ihre Vorträge, die teilweise nur im weiteren Sinne etwas mit dem angekündigten Thema zu tun hatten.

Publikationsdatum
10-11-2012
Revision
01-09-2015

Die Themenvielfalt reichte von der Entwicklung dezentraler Energiespeicher über Holzhäuser, Green buildings und e-Mobilität bis zum Einsatz von LED-Leuchten. Innerhalb des breiten Spektrums kristallisierten sich drei Schwerpunkte heraus: Dass die bereits im September 2010 vom Bundesrat erstmals in die Vernehmlassung geschickte Energiestrategie 2050 sowie der nach dem Reaktorunglück im japanischen Fukushima beschlossene Ausstieg aus der Atomenergie als Chance für die Schweizer Wirtschaft dienen kann, wurde in mehreren Referaten klar. Die Zahlen dazu lieferte Lucas Bretschger vom Center of Economic Research der ETH Zürich, der in seinem Vortrag festhielt, dass die prognostizierte Entwicklung auch mit Energiewende nicht etwa stagnieren, sondern sogar wachsen wird. Mit der Energiewende könne die Schweizer Wirtschaft als «first mover» international einen Vorsprung in der Entwicklung und Realisierung von neuen Technologien zur Erzeugung, Reduktion und Speicherung von Energie gewinnen. Die Weitung des Blickes mahnte auch Patrick Hofer-Noser an, Präsident von Cleantech Switzerland, der daran erinnerte, dass die Klimaerwärmung ein globales Problem sei. Und ein globaler Markt – man denke nur an den Einsatz alternativer Energien oder zukünftige energetische Sanierungen in den arabischen Staaten oder in China.

Neue Produkte für den Bestand

Die entscheidende Rolle des Gebäudebestands bei der Reduktion des Energieverbrauchs ist unbestritten. Obwohl diese Tatsache seit Jahren bekannt ist, machen energetische Ertüchtigungen nur einen Bruchteil des Bauvolumens aus. In ästhetischer Hinsicht problematisch sind dabei vor allem proportional austarierte und denkmalgeschützte Fassaden. Gleich zwei Referenten stellten daher Neuentwicklungen vor, die dieser Problematik begegnen. Peter Richner, stellvertretender Direktor der Empa, präsentierte einen Dämmputz auf Aerogel- und Kalkbasis, der momentan in einem Pilotprojekt getestet wird. Der Putz erreicht einen  -Wert von 0.03W/m²K und schneidet damit besser ab als Polystyrol Verlaufen die Tests weiterhin positiv, ist die Markteinführung für 2013 geplant. Gerd Hauser vom Fraunhofer-Institut für Bauphysik in Stuttgart beschäftigt sich ebenfalls mit der technischen Aufrüstung von Gebäuden. Sein Fokus liegt neben der Dämmung aber auch im Einbau von effizienten Lüftungsanlagen. Weil die dafür nötigen Leitungen vor allem in historischen Gebäuden nur mit hohem Aufwand zu integrieren sind, entwickelte sein Institut Dämmstoffelemente mit integrierten Lüftungskanälen, die ohne grossen Aufwand auf die Fassade aufgebracht und von innen erschlossen werden können. In einem Pilotprojekt bei einem Mehrfamilienhaus aus den 1950er-Jahren konnten die für die energetische Sanierung veranschlagten Kosten mit diesem System um den Faktor fünf reduziert werden.

Problem dezentrale Speicherung

Das dritte grosse Thema des Anlasses war die Dezentralisierung des Energienetzes durch den Einsatz von alternativen Energien und die damit verbundene Speicherproblematik. Hier variieren die Ansätze: Während die einen den Gebäudepark als Speichermasse nutzen wollen, arbeiten andere an der Entwicklung hauptsächlich von chemischen Speichern (Empa, Paul Scherrer Institut). Wie sich deren Betrieb auf die Gesamtenergiebilanz eines Gebäudes inklusive der grauen Energie auswirkt, blieb allerdings offen. Eine weitere Möglichkeit liegt im Einsatz von «smart grids» und einer damit einhergehenden Änderung des Konsumverhaltens: Statt das Angebot nach der Nachfrage zu richten, soll sich die Nachfrage dem tatsächlichen Angebot anpassen.

Wer profitiert 

Dass die Energiewende Realität ist, steht nicht mehr zur Debatte. Die technische Entwicklung von Systemen zur Energiereduktion, zur Erzeugung alternativer Energien und zur dezentralen Speicherung schreitet voran. Das stimmt optimistisch. Problematisch hingegen ist nach wie vor das Nutzerverhalten. Es ändert sich, wenn überhaupt, nur langsam, und nicht einmal eine Katastrophe wie in Japan führt im Alltag auch langfristig zu einem bewussteren Umgang mit den Ressourcen. Dazu kommt: Institute, Firmen und Behörden sind zwar zunehmend aktiv, aber oft nur innerhalb ihres eigenen Interessensgebietes. Oft fehlt die Systembetrachtung. Es scheint, also ob auch die Energiewende von Einzelinteressen gesteuert wird. In welche Richtung sich die Energiewende entwickeln wird, bleibt also weiter spannend – auch wenn Prognosen den Strompreis für 2050 bereits auf die zweite Kommastelle genau berechnen können.

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