Ein­klang von Ma­te­ri­al und Ge­stal­tung

Holzbrückenbaupreis 2014

Der erste Holzbrückenbaupreis geht an die Punt Ruinaulta von Walter Bieler. Sie überzeugt die Jury vor allem mit ihrer stimmigen Einpassung in die Örtlichkeit.

Publikationsdatum
14-05-2014
Revision
01-09-2015

Holzbrücken sind in ihrer Vielfalt kaum untereinander zu vergleichen; dennoch stellten sich die Qualitätsgemeinschaft Holzbrückenbau aus Deutschland und das Schweizer forum-holzbau der Herausforderung und lobten erstmals den Holz­brückenbaupreis aus. Denn sie sind überzeugt, dass Brücken aus Holz heute nicht die Ausnahme sein müssen.

Bautechnische Innovationen und Untersuchungen zur Wirtschaft­lichkeit von Holzkonstruktionen stärken die Wettbewerbsfähigkeit des Baustoffs und belegen grundsätzlich die Leistungsfähigkeit des Holzbrückenbaus. Mit dem Preis möchten die Auslobenden die herausragenden ­Leistungen im Holzbrückenbau und deren Bedeutung für die Baukultur in Deutschland, Österreich und der Schweiz sowie in den angrenzenden Ländern öffentlich würdigen.

Es konnten realisierte Brückenbauwerke eingereicht werden, deren Tragkonstruktion in wesentlichen Teilen aus Holz und Holzwerkstoffen besteht. Die 18 eingereichten Arbeiten waren höchst unterschiedlich – es handelte sich um Fussgänger-, Grün- und Strassenbrücken. Eine unabhängige Jury beurteilte sie alle nach der Innovationskraft, den gestalterischen und konstruktiven Merkmalen, der werkstoffgerechten Verwendung von Holz und der Ökonomie der realisierten Baulösung.

Die Jury vergab einen Preis und zeichnete drei weitere Arbeiten aus, die bis zuletzt in der engeren Wahl standen. Preisgekrönt wurde die Fussgänger­brücke Punt Ruina­ulta über den Vorderrhein in Graubünden.

Prägnante Preisträgerin

Die Hängebrücke ist 2010 nach den Plänen von Ingenieur Walter Bieler aus Bonaduz entstanden. Sie ist zweifeldrig und insgesamt 105m lang. Die Tragseile sind am südlichen Brückenende im Widerlager verankert – zwei gedrungene Pylone halten die Traglast.

Die Seile führen im Drittelpunkt der Brücke über zwei Pylone und enden nach der Hauptspannweite von 76.5m am Nordufer in einem skulpturalen Bauwerk. Dieses reagiert auf die gegebenen und einschränkenden Rahmenbedingungen: Das Bahn­trassee der RhB nimmt den Raum für eine gleiche oder ähnliche Verankerung wie auf dem gegenüberliegenden Ufer; das kräftige Tor verankert die Traglast direkt über Pfähle im Baugrund und bildet gleichzeitig den optischen Auftakt zur Brücke.

Die 50mm dünnen ­Tragseile bestehen aus verzinkten Spiralseilen. An ihnen sind über gekreuzt angeordnete Abspannseile die beiden Längsträger aus Brettschichtholz gehängt, die mit einer Holzschalung vor der Witterung ­geschützt sind. Darunter sind Lärchenbohlen montiert, die als Rippen zwischen den Längsträgern funk­tionieren und zugleich den 1.8m breiten Gehweg bilden. Sie sind mit einem gut durchlüfteten Zwischenraum von 20mm versetzt, der anhaltende Feuchte verhindert. Die Rippen und die Längsträger bilden zusammen den Querschnitt; sie sind mit jeweils zwei Schrauben biegesteif miteinander verbunden. Somit funktioniert die Konstruktion in der Horizontalen als Vierendeelträger, weshalb keine Diagonalen bzw. Windverbände notwendig sind.

Die Jury bewertete die Punt Ruinaulta als herausragendes Beispiel des Holzbrückenbaus. Die Hängebrücke sei «modern, robust und von natürlicher Eleganz und zeige in eindrücklicher Weise die Leistungsfähigkeit des Holzes im Kontext der Natur und im Zusammenspiel mit anderen Materialien». Sie sei eine auf das Wesentliche reduzierte Hängebrücke, die durch ihre Leichtigkeit besticht, aber dabei dennoch eine eigene Prägnanz und Unverwechselbarkeit entwickelt. Holz, Stahl und Beton werden in idealer Weise kombiniert und fügen sich zu einem durchdachten, materialgerechten und einprägsamen Ensemble zusammen. Die Details sind mit Sorgfalt geplant und die Holzbauteile gut belüftet, womit eine robuste und langlebige Brückenkonstruktion erreicht wird.

Sie werde sich zudem immer noch mehr in den Kontext integrieren, meint Walter Bieler, der sich über den Preis freut – denn die Holzbauteile vergrauen mit der Zeit und werden unauffälliger. Alle diese Punkte haben gemäss Jury das diskutierte ggf. kritische Schwingungsverhalten der Brücke überwogen.

Drei Auszeichnungen

Die drei Auszeichnungen gingen an die Beteiligten der Fahrzeugbrücke in Enningen LU, der Fussgänger­brücke im französischen Oloron und der Grünbrücke über die B 101N bei Wiesenhagen in Deutschland.

Die Hauptkonstruktion der einspurigen Schwerlastbrücke über die Kleine Emme in Enningen bilden zwei einfache Fachwerkträger, auf denen ein Flachdach liegt. Damit nimmt sie Bezug auf die alte und nun an derselben Stelle ersetzte Enningerbrücke. Die Fahrbahn aus Holz ist zwischen die Stahluntergurte eingehängt und bituminös abgedichtet. Eine offene horizontale Lamellenschalung und das einseitig auskragende Dach über den seitlichen Öffnungen schützen die Tragbauteile vor der Witterung. Gemäss Jury ist der einfache Lösungsansatz für die komplexe Aufgabenstellung anzuerkennen. Allerdings bemerkt sie, dass das Erscheinungsbild nicht in allen Details vollständig überzeugt und der Ausdruck etwas schwerfällig ist. 

Das Tragwerk der zwei baugleichen Fussgängerbrücken in Oloron-Sainte-Marie besteht aus ­einer Holz-Stahl-Verbundkonstruktion in Form eines Linsenträgers. Das Gehbahndeck aus einer Schar von Brettschichtholzbalken ist mit einer Stahlfachwerkkonstruktion unterspannt. Dabei bilden die Balken den Obergurt des räumlich verstrebten Fachwerkträgers, und ein als Zugglied wirkendes gespanntes Stahl­blechband formt den Untergurt.

Gemäss der Jury ist die Konstruktion originell und innovativ, denn es werden auf das Wesentliche beschränkte und sehr effiziente Brückenbauwerke geschaffen, die leicht und elegant Spannweiten von rund 50m überbrücken. Holz ist hier werkstoffgerecht verwendet, bzw. die Materialkombination ist statisch-konstruktiv stimmig. Aufgrund ihrer effizienten Konstruktion sind die Bauwerke wirtschaftlich. Allerdings ist der konstruktive Holzschutz unzureichend. Die Leimholzbalken sind zwar auf Lücke gesetzt und belüftet, oben aber nur mit dem Gehwegbelag aus Nut- und Feder-Eichenholzbohlen abgedeckt. Dieser Belag ist nicht dicht. Zudem ist auf den Flanken kein Wetterschutz vorhanden.

Mit der ausgezeichneten Grünbrücke über die B 101N bei Wiesenhagen macht die Fachjury darauf aufmerksam, dass mit ihr ein wichtiges Marktsegment für den Holzbrückenbau erschlossen werden kann. Solche Grünbrücken können verloren gegangenes Vertrauen bei den Strassenbaube­hörden zurückgewinnen und dem Holzbrückenbau im Bereich des Bundesstrassenbaus den Weg ebnen helfen.

Der gewählte Bautyp erlaubt nämlich einen guten Schutz der Holzkonstruktion mittels einer durchgehenden oberen Abdichtungsebene. Die Polymerbitumenbahn ist gut gegen mechanische Einwirkungen und gegen UV-Licht geschützt und kann über die gekrümmte Fläche zwängungsfrei eingebaut werden. Der Dreigelenkbogen ist ausserdem optimal geeignet für eine schnelle Montage sowie eine leichte Austauschbarkeit einzelner Bogensegmente, etwa nach einer Beschädigung durch einen Fahrzeugunfall.

Die Bogenform mit einer vom Firstgelenk bis zu den Widerlagern ­zunehmenden Krümmung nimmt die in seinem Verlauf unterschiedlichen Einwirkungen durch die unterschiedlich hohe Erdaufschüttung ideal auf. Zudem umschreibt sie optimal das für den Strassenverkehr erforderliche Lichtraumprofil. Die Jury sieht allerdings Verbesserungspotenzial an der formalen Ausbildung der Portale und der Konstruktion im Bereich der sich durch die Schrägstellung der Endbögen ergebenden Dreiecksflächen, zum Beispiel durch eine kontinuierlich zunehmende Schrägstellung der ­Bögen bis zum Maximum am Portal selbst.

Holzbrückenbaupreis muss ­dauerhaft überzeugen

Auch andere eingereichte Projekte zeigten innovatives, gestalterisches und/oder tragwerkplanerisches Potenzial. So mag derzeit auch die Max-Gleissner-Brücke in Tirschenreuth in der Oberpfalz aus gestalterischer Sicht durchaus zu gefallen. Die Spannbandbrücke ist eine Fuss- und Radwegbrücke und verbindet die Altstadt mit dem Gartenschaugelände. Sie überspannt zwei Felder mit jeweils 37.5m Länge und einem Stich von ca. 55cm unter Eigengewicht.

Das Spannband ist an den Brückenenden im Widerlager verankert und führt in der Brückenmitte über einen Umlenksattel. Dieser Umlenksattel liegt auf einem etwa 2.40m hohen V-förmigen Mittelpfeiler, der in den Betonsockel bzw. die Gründung elastisch eingespannt ist. Die leichte Beweglichkeit der Brücke und die vertikale Anordnung der Hölzer des Geländers sollen an bewegtes Schilf am Ufer erinnern.

Die Jury diskutierte aber das dynamische Verhalten und sah erhebliche Mängel beim baulich-konstruktiven Holzschutz. Das Wasser läuft direkt über die Stirnflächen (ungeschütztes Hirnholz) faserpa­rallel in die senkrecht stehenden Brüstungsbauteile. Die Jurymitglieder erwarten, dass die Holzstäbe nicht formstabil bleiben und der momentan überzeugende formale Eindruck verloren geht. «Das Wagnis, hier eine Brücke zu prämieren, die sich künftig gegebenenfalls nicht bewährt, war der Jury zu gross», räumt der Juror Andreas Müller ein. Ein Siegerprojekt sollte entsprechend den Beurteilungskriterien eine statisch-konstruktiv logische und schlüssige Lösung sein, dabei steht selbstredend der baulich-konstruktive Holzschutz im Mittelpunkt.

Ein Wagnis wäre für den Holzbrückenbau kontrapro­duktiv, denn die Holzkonstruktion einer Brücke ist hohen Anforderungen bezüglich der Dauerhaftigkeit und gegebenenfalls der dynamischen Einwirkungen bzw. der Wechselbeanspruchungen ausgesetzt. Diese Aspekte gilt es zu berücksichtigen, wenn eine Holzbrücke beurteilt wird – erst dann überzeugt der Holzbrückenbaupreis dauerhaft. 

Das Ergebnis des Wettbewerbs mit allen am Bau Beteiligten ist in einer Broschüre ­doku­mentiert. Sie kann hier heruntergeladen werden.


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Jury Hermann Kaufmann, Prof. Dipl.-Ing. Architekt, Dornbirn (A) und München (D) (Vorsitzender) Richard J. Dietrich, Dipl.-Ing. Architekt, Traunstein (D) Isabel Engels, M. Eng. dipl.-Ing. (FH), Biel Thomas Keil, Dipl.-Ing., Schlaich Bergermann Partner, Stuttgart (D) Andreas Müller, Prof. Dipl.-Ing. Berner Fachhochschule, Biel und Reutlingen (D)

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