Ein Lob der In­no­va­ti­on und Zu­sam­men­ar­beit

Schweizer Ingenieure ausgezeichnet

Mit dem hybriden Spannbeton-Holz-Dach im Zürcher Zoo gewinnen Walt + Galmarini den 14. Ernst & Sohn Ingenieurbaupreis. Zum dritten Mal nach Sunniberg- und Melezzabrücke erhält ihn ein Schweizer Bauwerk.

Publikationsdatum
18-03-2015
Revision
06-10-2015
Thomas Ekwall
MSc. EPFL Bau-Ing., MAS ETHZ Arch., Korrespondent TEC21

Eine solche Anerkennung erlebt man nur selten. Es war ein erhebender Moment, als Wolfram Kübler und Carlo ­Galmarini den Ingenieurpreis im Ehrensaal des Deutschen Museums in München entgegennahmen – dem weltweit grössten Technikmuseum. An ihrer Seite standen die Haupt­akteure des sechsjährigen Bauvorhabens, unter anderem Zoodirektor Alex Rübel, Architekt Markus Schietsch, Landschaftsarchitekt Lorenz Eugster und die Bauunternehmer von Strabag und Implenia.

Einstimmiger Entscheid

Die in «Ulrich Finsterwalder Ingenieurbaupreis» umbenannte Auszeichnung wird alle zwei Jahre an ein Bauprojekt verliehen, das durch eine besondere Ingenieurleistung hervorsticht. Aufsicht über diesen Preis hat der Verlag Ernst & Sohn, der Bauingenieure und Architekten im deutschsprachigen Raum mit Fachliteratur in ihrer beruf­lichen Praxis unterstützt.


Dieses Jahr wurden 46 Projekte eingereicht, die nach den Kriterien Innovation, Interdisziplinarität, Ästhetik und Nachhaltigkeit beurteilt wurden. Aufgrund der hohen Qualität der Eingaben wurden heuer deshalb zusätzlich zum Preis vier Auszeichnungen verliehen. Der Entscheid für das Siegerprojekt fiel einstimmig aus – ein Novum in der Geschichte des Preises. Nach Ansicht der Jury erfüllte das Dach des Elefantenhauses in Zürich eindrucksvoll sämtliche Kriterien.


Besonders innovativ bei dieser 80m weit gespannten Kuppel sei die Kombination des Spannbetonrings mit den vernagelten Brettsperrholzplatten. Die statisch optimierte Form, die wenigen Auflagerpunkte des Dachs sowie die sorgfältige Anordnung der 291 Oberlichter zeuge von einer engen Zusammenarbeit zwischen Architekt und Ingenieur.
Gemeinsamkeiten mit dem Werk Ulrich Finsterwalders (1897–1988) zogen sich wie ein roter Faden durch die Würdigung. Etwa bei Fran­ka Stürmer, Geschäftsführerin von Ernst & Sohn, die diese Pionierleistung mit dem Zeiss-Planetarium in Jena verglich. Die 1926 erstellte Stahlbetonkuppel eröffnete damals ungeahnte Möglichkeiten für den Baustoff – eine Entwicklung, die nun auch im Holzbau absehbar wird. Wolfram Kübler zitierte die Basler Grossmarkthalle von 1929 – übrigens 2012 durch Walt + Galmarini instandgesetzt als einen der Ausgangspunkte für den Entwurf. Auch die Dywidag-Fels­anker, die das Elefantenhaus im Boden verankern, sind ursprünglich eine Erfindung Finsterwalders.

Ein breit gefächerter Beruf

Die vier Auszeichnungen ergänzen die Leistungsschau zeitgenössischer Ingenieurbaukunst und zeugen von einer facettenreichen Tätigkeit. Schlaich bergermann und partner waren an der Entwicklung des «Ultimate Trough Test Loop» beteiligt, eines Parabolrinnenkraftwerks neuester Generation in Kalifornien. Mit den grossformatigen Modulen von 24m x 7.5m wurden Kosten und Material eingespart.


Bei Iffezheim am Oberrhein planten die Geotechniker von Kempfert + Partner eine 45m tiefe Baugrube in einem bestehenden Kraftwerk, um eine neue Turbine darin zu versetzen. Von den ästhetischen Qualitäten war hier nicht die Rede – das Werk der Ingenieure ist im fertigen Bau nicht mehr zu sehen –, vielmehr wurden die fortschrittlichen Lösungen und die komplexe Logistik der Baustelle gewürdigt.


Die Gestaltung stand eher im Mittelpunkt bei der Grubentalbrücke, die ebenfalls von schlaich bergermann und partner geplant wurde. Als Sondervorschlag setzte sie sich im Wettbewerb gegenüber dem konventionellen Amtsentwurf durch. Damit wird auch der ­Brückenrat der Deutschen Bahn geehrt, der die Grundlagen eines solchen Entscheids ermöglicht hat.


Anderer Kontext, andere Lösung: Bei Mettlach setzte das Bauunternehmen Eiffel die Saarbrücke instand. Die neue Fahrbahnplatte besteht aus leichten Stahl-Kunststoff-Verbundplatten (System SPS), die speziell für dieses Pilotprojekt weiterentwickelt wurden. Ähnliche Instandsetzungen werden künftig auf diese positive Erfahrung zurückgreifen können.

Seelenlose Dienstleistung 

Zum Abschluss warf Hans-Peter Andrä, ehemaliger Partner von Leonhardt Andrä und Partner, einen kritischen Blick auf den heutigen Berufsstand des Ingenieurs. Die Preisverleihung solle nicht von den tiefer liegenden Problemen des Berufs ablenken: Bauleistungen würden infolge der Fragmentierung in Teilleistungen von Planung und Ausführung häufig als «seelenlose Dienstleistung» verstanden.


Weil der Bauingenieur nicht mehr die Verantwortung für das ­gesamte Bauvorhaben tragen könne, würde dieses Vakuum durch Bauherrenvertreter gefüllt, die unter internem Rechtfertigungsdruck und nur nach belegbaren Zahlen handelten. Der Unternehmer werde nicht mehr als Partner, sondern als Konkurrent wahrgenommen; dadurch sei eine «Kultur des Claim-Managements» entstanden, die nur noch den ­Juristen zugute komme. Gegen diese «Entmündigung der Handelnden durch zahlenmässig definierte, ausufernde Detailregelungen» plädiert Andrä für praxisgerechtere Normen, Nutzungsvereinbarungen zwischen Planern und Bauherren nach Schweizer Vorbild, mehr gegenseitiges ­Vertrauen und nicht zuletzt für die Rückbesinnung auf den gesunden Menschenverstand.

Auszeichnungen
 

PREISTRÄGER:


Kaeng Krachan Elefantenpark, Zürich: Walt + Galmarini, Zürich
 

Ultimate Trough Test Loop, Harper Lake (USA), schlaich bergermann und partner, Stuttgart
 

Baugruben zur Erweiterung des Rheinkraftwerks Iffezheim, Kempfert + Partner Geotechnik, Würzburg
 

Eisenbahnüberführung Grubental­brücke, Erfurt, schlaich bergermann und partner, Stuttgart
 

Instandsetzung und Sanierung der Saarbrücke Mettlach, Eiffel Deutschland Stahltechnologie, Hannover


Jury
 

Prof. Norbert Gebbeken, Bayerische Ingenieurekammer-Bau (Vorsitz)

Dr. Dirk Bühler, Deutsches Museum München

Prof. Cengiz Dicleli, HTWG Konstanz

Prof. Steffen Marx, Uni Hannover

Ulrich Nolting, Beton-Marketing Süd

Prof. Viktor Sigrist, TU Hamburg-Harburg

Prof. Hartwig Schmidt, RWTH Aachen

Rainer Spitzer, Doka Group

Dr. Heiko Trumpf, Büro Happold

Dr. Klaus Stiglat, Ehrenmitglied

Dr. Karl-Eugen Kurrer, Nicolas Janberg und Dr. Dirk Jesse, alle Ernst & Sohn Verlag

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