Ein ab­ruf­ba­res Um­welt­ge­dächt­nis

Zwischenbilanz: 30 Jahre Nationale Bodenbeobachtung NABO

Die Umweltqualität im Dauerblick: Seit drei Jahrzehnten erfasst die Nationale Bodenbeobachtung NABO systematisch, welche Schadstoffe ins Erdreich gelangen oder wie viel CO2 darin gespeichert wird. Das Monitoring soll künftig auch die Belastung mit Pflanzenschutzmitteln erfassen.

Publikationsdatum
08-12-2016
Revision
08-12-2016

Fruchtbarer Boden ist eine endliche Ressource; tatsächlich leidet das Kulturland unter erheblichem Flächenschwund. Neueste Zahlen aus der Arealstatistik des Bundes bestätigen: Jedes Jahr schrumpft das Agrarland um ein 11 km2 weites Feld, das der Siedlungsausdehnung geopfert wird. Aber nicht nur die Versiegelung zerstört produktive Landwirtschaftsfläche; auch qualitativ sind Bodenfruchtbarkeit und ökologische Unversehrtheit in Gefahr. Insbesondere Humusabtrag, Erosion und die chemische Belastung können irreversible Schäden verursachen. Die Vorsorge ist deshalb für eine nachhaltige Nutzung und «den Bodenschutz überhaupt von zentraler Bedeutung», erklärt Reto Giulio Meuli, Leiter der Nationalen Bodenbeobachtungsstelle NABO.

Seit 30 Jahren wird der Zustand des Bodens in der Schweiz wissenschaftlich erfasst. Um ein möglichst repräsentatives Bild bezüglich Landnutzung, Bodentyp, Geologie oder Höhenstufe zu erhalten, finden inzwischen an über 100 Standorten regelmässige Probenahmen statt. Rund die Hälfte davon betreffen landwirtschaftlich intensiv genutzte Böden; der Rest liegt auf Alpweiden, in Waldflächen und Stadtparks. Die Nationale Bodenbeobachtung wird von den Bundesämtern für Umwelt und Landwirtschaft gemeinsam betrieben; um die Durchführung kümmert sich Agroscope, ein Forschungsinstitut im ETH-Bereich. Diesen Herbst fand die offizielle Jubiläumstagung statt, an der das Erreichte gefeiert und die kommenden Anforderungen angesprochen wurden.

Unter anderem benötigt das Beobachtungsprogramm mehr Mittel, damit es mit den zunehmenden Gefährdungsvarianten Schritt halten kann. Die NABO-Tagung adressierte deshalb diese Botschaft an die Politik: Das Erdreich ist ein scharfsinniges Gedächtnis, und die Bodenbeobachtung kann ebenso genaue Beweise liefern, ob einmal beschlossene Umweltmassnahmen erfolgreich sind.

Früherkennung von Veränderungen

Vor drei Jahrzehnten waren Blei (Benzin) und andere Schwermetalle (Mineraldünger) diejenigen Schadstoffe, deren hohes und akutes Umweltgefährdungspotenzial es abzuwehren galt. Darum begann sich die Agrarforschung zu interessieren, was mit diesen Stoffen im Boden passiert. Ab Sommer 1986 wurde daraus ein offizieller Beobachtungsauftrag definiert. Seither verlangt die Umweltgesetzgebung, dass ein breites Spektrum an chemischen, biologischen und physikalischen Parametern stetig zu erfassen ist.  

Die kontinuierliche Beobachtung dient zum einen der Kontrolle: Einige Luftschadstoffe sind inzwischen verschwunden; im Boden werden nun mehrheitlich niedrigere Metallgehalte gemessen. Zum anderen tauchen immer wieder neue Schadstoffe auf. Ein Bodenmonitoring erhöht daher die Chancen zur Früherkennung. Die Jubiläumsveranstaltung zeigte sogar, wie anschaulich das NABO-Programm den Verlauf früherer Umweltdebatten und unerwünschter Stoffeinträge abbilden kann: Nach den Schwermetallen kamen die Nährstoffe auf die ökologische Traktandenliste, weil sie übermässig ausgetragen worden sind. Und danach entdeckte man, dass sich organische Schadstoffe wie PCB und Dioxine im Boden anreichern können. Vielen weiteren problematischen Substanzen ist die Nationale Bodenbeobachtung im Erdreich auf der Spur, wobei die Belastung aufgrund von langwierigen Speicher- und Austauschprozessen meistens zeitverzögert auftritt.

Der Wert der gesammelten NABO-Daten kann sich im Nachhinein weiter erhöhen. So wird der organische Gehalt des Oberbodens seit über 30 Jahren gemessen, was für die Abschätzung der Klimawandelfolgen äusserst hilfreich ist. Der Bodenschatz bezieht sich nämlich nicht nur auf die Fruchtbarkeit, sondern auch auf die CO2-Speicherung. Nach den Ozeanen und noch vor der Biomasse sind die Böden die zweitgrösste globale Treibhausgassenke überhaupt.

Messnetz mit Ausbaubedarf

Das Messprogramm selbst ist jedoch laufend zu überprüfen. Aktuelle Stichproben lassen zwar vermuten, dass auch Antibiotika, Pflanzenschutzmittel und deren Abbauprodukte die Bodenqualität gefährden. Aber solche Indizien verifizieren kann die Nationale Bodenbeobachtung nur mit einem Zusatzauftrag. Während entsprechende Gewässeranalysen bereits Routine sind, «besteht für vergleichbare Bodenuntersuchungen grosser Nachholbedarf», beklagte NABO-Leiter Meuli an der Jubiläumstagung.

Ein weiteres Problem sei die dezentrale, uneinheitliche Dokumentation von Bodeninformationen. Neben dem NABO sammeln auch kantonale Fachstellen umfangreiches Datenmaterial, wobei sie oft weder verfügbar noch vergleichbar sind. Deshalb wäre das Bodenmonitoring in der Schweiz dringend zu harmonisieren. Hoffnung, dass dies schon bald an die Hand genommen wird, besteht durchaus: 2015 hat das Bundesparlament grünes Licht für eine Bodenstrategie gegeben und zusätzlich angeordnet, ein nationales Bodenkompetenzzentrum aufzubauen.

Verwandte Beiträge