Die Kunst der Ko­or­di­na­ti­on

550 Wohnungen und 20 000 m2 Gewerbefläche entstehen auf dem Glasi-Areal in Bülach. Am Projekt beteiligt sind zahlreiche Planungsbüros, die unterschiedliche Softwares nutzen. Wie fügen sich deren Fachmodelle zum Gesamtmodell zusammen? Wie funktioniert die Kommunikation? Der BIM-Manager, der selbst aus der Reihe der Planer stammt, berichtet.

Publikationsdatum
01-11-2018
Revision
04-11-2018

Nach über 100 Jahren stellte die Vetropac oder Glashütte in Bülach 2002 den Betrieb ein. Auf einmal entleerte sich das 42 000 m2 grosse Areal direkt am Bahnhof. Zusammen mit zwei weiteren stillgelegten Industriestandorten in der Nachbarschaft, dem Guss- und dem Herti-Areal, stand ein zentral gelegenes Gebiet von ca. 100 000 m2 zur ­Dis­position – eine Fläche, vergleichbar mit jener der Altstadt.

Nach den Erfahrungen in Bülach Süd, wo das Wachstum ab den 1990er-Jahren fragwürdige städtebauliche Qualität und erhebliche Verkehrsprobleme mit sich gebracht hatte, beschloss der Stadtrat, künftigen Investoren in Bülach Nord klare Vorgaben zu machen. Insbesondere forderte er eine gemischte Nutzung und ein Verkehrskonzept, in dem der öV eine Hauptrolle spielt. 2004 erstellte der Stadtrat ein Leitbild, 2010 ­wurde eine erste Testplanung abgeschlossen, darauf folgten die Teilrevision der Zonen- und Nutzungsplanung sowie ein öffentlicher Gestaltungsplan. Für die Überbauungen fanden Konkurrenzverfahren statt.

Den unter elf Büros international ausgeschriebenen Studienauftrag für das Glasi-Areal gewannen Duplex Architekten 2013. Für das geplante Hochhaus auf dem Areal wurde 2016 ein weiterer Studienauftrag durchgeführt, den wild bär heule Architekten für sich entschieden. Seit Oktober 2018 ist die Baubewilligung für das Areal rechtskräftig. Die Bauarbeiten beginnen 2019, bis 2023 soll das neue Quartier stehen.

Mosaik aus 160 Fachmodellen

Zuständig für die Bauprojekt- und Ausführungsplanung auf dem Glasi-Areal ist die Planergemeinschaft Duplex Architekten | Itten Brechbühl. Sie verwendet dabei BIM. Zum Einsatz kommt ein Koordinationsmodell des gesamten Areals – eine hochkomplexe Angelegenheit: Zum einen sind %%gallerylink:43176:eine Vielzahl von Planungsbüros beteiligt, die unterschiedliche Softwares nutzen%%; zum anderen %%gallerylink:43178:umfasst das Vorhaben 21 Gebäude%%, die jeweils in sieben Fach­modellen (Architektur, Fas­sade, Heizung, Lüftung, Sani­tär, Elektro, Tragwerk) bearbeitet werden.

Zu diesen 140 Fachmodellen kommen die Fachmodelle der Tief­garage, der Landschaftsarchitektur und der ganzen Werkleitungsplanung des Areals hinzu. Diese ca. 160 ifc-­Modelle müssen erstellt, geprüft und koordiniert werden, wobei diese Struktur im BIM-Modellplan des Projektabwicklungsplans festgehalten wird. Dazu eignet sich ein in Anlehnung an die Dokumentation des SIA D0270 Kap. F.2.1, ausgeweitet für alle Gebäude.

Offene Standards und Prüfprogramme

Jedes Modell wird in drei Etappen durch mehrere Teilprojektteams geplant. Die Fachmodelle werden pro Gebäude erstellt und koordiniert. Ein weiteres Team ­koordiniert die Gebäude untereinander zusammen mit der Umgebungsgestaltung und der Werkleitungsplanung. Weil die verschiedenen Architektur- und Fach­ingenieurbüros jeweils unterschiedliche Softwares verwenden, wäre das Projekt ohne den Einsatz von offenen Standards – etwa dem ifc-Datenmodell von Building­Smart – nicht zu bewältigen. Das eigentliche Gesamtmodell setzt sich entsprechend aus den Exporten aller ifc-Modelle zusammen, die in einem dafür ausgelegten Model Checker zusammengezogen und geprüft werden.

Für jedes Gebäude ein Koordinationsmodell

Aufgrund der Komplexität gibt es verschiedene Arten von Koordinationsmodellen. Die Teams arbeiten pro Haus organisiert und haben ein entsprechend reduziertes Koordinationsmodell ihres Gebäudes. Auf der Stufe der gebäudeübergreifenden Koordination und der Mengenermittlung kommen Koordinationsmodelle  mit allen Fachmodellen zum Einsatz. So wird für den Projekt­leiter die Komplexität auf die Sichtweise pro Haus reduziert, und er hat sein eigenes Koordinationsmodell pro Gebäu­de zur Verwaltung und Kommunikation der Pendenzen (Issues im Model Checker).

Die BIM-Koordinatoren bereiten alle Workshops und Besprechungen am Modell vor, die Pendenzen (Issues) werden als Protokolldateien (bcf) ausgetauscht. Mit der Einladung zum Workshop werden die Issues bereits vorgängig versandt; so können sich die Planenden und Spezialisten optimal auf den Workshop vor­bereiten und bringen schon Lösungsvorschläge mit.

Planergemeinschaft behält die Führung

Die Koordinationsworkshops werden durch die Projektleiter geführt und durch die BIM-Koordinatoren unterstützt. Dabei stammen beide, Projektleiter und BIM-­Koordinator, aus den eigenen Reihen: Es handelt sich um Architekten und Hochbauzeichner der Planergemeinschaft, die für das Bauprojekt- und die Ausführungsplanung zuständig ist. Dieser liegt viel daran, die eigenen Mitarbeitenden zu befähigen und mit der ­neuen Methode vertraut zu machen.

Die Projektleiter und BIM-Koordinatoren führen in den Workshops die Entscheide herbei und halten diese gemeinsam mit den Fachplanern direkt in der Pendenz am Modell fest. Zum Schluss wird die bcf-Datei wieder­um synchronisiert und der PDF-Bericht – ergänzt durch ein Deckblatt mit Teilnehmerliste, Ort und Datum – ­direkt verschickt. Dies reduziert den bürokratischen Aufwand erheblich.

Modellbasierte Mengenermittlung

Über die Definition der Mengen für die Devisierung wird seit jeher viel diskutiert, woraus man schliessen könnte, das nötige Know-how sei schon längst vorhanden. Aus technischer Sicht mag das stimmen, aber erst mit offenen Standards und regelbasierten Klassifikationssystemen werden die Mengen belastbar und nachvollziehbar. Regelbasiert heisst hier: Es wird definiert, welche Kombination von Merkmalen des ifc-Formats (zum Beispiel Pset_WallCommon.IsExternal) eines Modellelements (zum Beispiel ifcColumn) ausschlaggebend ist für die Zuordnung in eine Klassifikation. Diese Herangehensweise ermöglicht die Kompatibilität mit dem elektro­nischen Baukostenplan des CRB: Die Elemente in den Modellen konnten dem eBKP-H und dem BKP zugewiesen und die jeweils entsprechenden Grundmengen dazu ermittelt werden.

Am Bau Beteiligte
 

Bauherrschaft
Steiner AG mit Bau­genossenschaft Glattal Zürich und Logis Suisse
 

Städtebau und Entwurf
Duplex Architekten, Zürich
 

Hochhaus
wild bär heule ­Architekten, Zürich
 

Bauprojekt- und Ausführungsplanung
Planergemeinschaft Duplex Architekten | IttenBrechbühl
 

Bauingenieure
K2S Bauingenieure, Wallisellen; Henauer Gugler, Zürich
 

TGA-Planung (Technische Gebäudeausrüstung)
Gruner Gruneko, Basel
 

Elektroplanung
HKG Engineering; HHM
 

Werkleitungsplanung
Gossweiler Ing., Dübendorf
 

Landschaftsarchitektur
Studio Vulkan, Zürich
 

Brandschutzplanung
ProteQ, Schaffhausen
 

Verkehrs- und Infrastrukturplanung
IBV Hüsler, Zürich

Eckdaten und Informationen zum Projekt Glasi
 

Kategorie
Stadtquartier mit 550 Wohn­einheiten, über 20 000 m2 Gewerbe (Hotel, Dienstleistung, Alterswohnen, Ärztehaus, Kinder­krippe und Allmendflächen) und 640 Parkplätzen
 

Auftragsart
Studienauftrag Städtebau, 2013
Studienauftrag Hochhaus, 2016
TU-Modell mit Einzelplanerverträgen/Planergemeinschaft ab Phase 32
 

Parzellenfläche
42 000 m2
 

Geschossfläche
96 000 m2
 

Nutzfläche
72 000 m2
 

Gebäudevolumen
464 100 m3
 

Baubeginn
2018

Fertigstellung
2023
 

Gebäudekosten BKP 2
220 Mio. Fr.

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