Die Krux mit dem Ideal
Kolumne
Aus aktuellem Anlass beschäftigte ich mich kürzlich wieder einmal mit Le Corbusiers Proportionssystem «Modulor». Die von «Corbu» in den 1940er-Jahren entwickelte Skala leitet das architektonische Mass vom menschlichen Körper ab in diesem Fall von einer 1.83 m grossen Person. Le Corbusier, selber ja eher bescheiden geraten, bezog sich auf die damalige Durchschnittsgrösse eines US-Amerikaners. Die neue Weltmacht erschien
ihm als Inbegriff des Fortschritts.
Ende Mai also der Praxistest: Ausgerüstet mit hohen Absätzen bin ich in Idealgrösse auf dem Weg zum World Interiors Day im Centre Le Corbusier / Museum Heidi Weber.
Und staune: Während der Pavillon vor allem im zweistöckigen Teil schön luftig wirkt, erscheint die Normraumhöhe von 2.26 m (das Modulor-Mass für eine Person mit ausgestrecktem Arm) mancherorts fast bedrückend. Mal ehrlich wer möchte in einem Gebäude gern die Decke berühren können Frappant wird es bei den Durchgängen sie sind mit etwa 40 cm recht schmal gehalten.
Was der Meister wohl dazu sagen würde, dass sich der Durchschnittsamerikaner in den letzten Jahrzehnten hauptsächlich in die Breite entwickelt hat? Und wie würde sich ein solches Schwergewicht in der winzigen Küche des Centre Le Corbusier machen