Die Hül­le der Ent­täu­schung

Publikationsdatum
30-11-2017
Revision
30-11-2017

Hinter dieser Hülle verborgen liegt mein Traum von einer nigel­nagelneuen Wohnung. In Gedanken sehe ich mich bereits auf der Loggia stehen. Blauer Himmel. Mein Blick schweift über die Ufer der Glatt bis in die Glarner Alpen. Der Fluss rauscht. Die Enten schnattern. Die Computeranimationen der Wohnung hinter der glitzernden Verpackung sind prächtig. Ich mache mich auf einen virtuellen Rundgang. Die Decken- und Wandleuchten – echte Hingucker. Die bronzefarbene Fassadenelemente sorgen in den Räumen für ein Schattenspiel, das mich an südländische Regionen erinnert. Das geölte Eichenparkett verleiht der Wohnung eine heimelige Atmosphäre. Prächtige Bilder. Die Architekten haben sich wirklich alle Mühe gegeben – schliesslich müssen die Wohnungen verkauft werden, und dazu braucht es ästhetische Anreize, die Eindruck hinterlassen und die auch der Laie versteht.  
Doch bevor er ein glückliches Ende findet, platzt mein Traum. Am Tag der offenen Tür folgt das böse Er­wachen. Schlagartig wird mir klar: Die Bilder waren reine Fiktion, ich bin darauf herein­gefallen. Hinter der «goldenen» Fassade verbirgt sich eine mickrig kleine Wohnung. Ich löse den Vertrag auf, noch ehe ich eingezogen bin. Die Animationen haben mich von einer Wohnung träumen lassen, die es in Wirklichkeit nie geben wird.
 

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