Die Gren­zen der Trans­pa­renz

Publikationsdatum
19-04-2018
Revision
19-04-2018

Glashäuser versprechen Transparenz und Offenheit. Eine Firma hinter Glasfassaden hat eigentlich nichts zu verbergen. So habe ich das neue Glashaus am See verstanden, mit dem Swiss Re am Zürcher Mythenquai protzt. Nun will ich der Versicherung nichts Böses unterstellen; verwirrt bin ich trotzdem: Die geschlossenen Vorhänge hinterm Glas stehen genau für das Gegenteil. Nicht nur die Sonne, auch mein Blick von aussen ist dem geschäftigen Innenleben offensichtlich unangenehm. Möchten die Nutzer nun etwas von sich preisgeben oder nicht?
Vielleicht ist dieser Gedankensprung verwinkelt – aber ist nicht auch der Mensch derzeit leicht überfordert? Im Selfie- und Social-Media-Zeitalter gilt es, einerseits alles über sich zu erzählen, aber andererseits nichts Wichtiges zu verraten. Diese Kunst gelingt vielen (nicht nur prominenten) Personen nur mit einer Portion Schizophrenie. Dasselbe gilt für die Architektur: Sollen Häuser ebenso selbstbewusst und eitel daher kommen wie Internetstars oder Influencer, müssen Planer den Grat zwischen Selbstdarstellung und Erscheinung meistern. Mein Tipp an Architektinnen und Architekten: Baut keine Häuser mehr, die zu jeder Tages- und Nachtzeit und sogar bei Sonnenschein am liebsten ein Selfie schiessen wollen.
 

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