«Die Flie­ge­rei be­geis­tert mich»

Pascal Waldner studierte zunächst Bauingenieurwesen an der ETH Zürich. Anschliessend absolvierte er eine Ausbildung zum Linienpiloten. Heute verbindet er beide Berufe, die auf den ersten Blick nichts gemeinsam haben, bei seiner Tätigkeit im Bundesamt für Zivilluftfahrt.

Publikationsdatum
20-07-2012
Revision
01-09-2015

TEC21: Einen Bauingenieur mit Linienpilotenlizenz trifft man nicht jeden Tag. Wie kam es zu dieser Kombination?
Pascal Waldner:
Da mich Konstruktion und Technik interessiert haben und ich einen vielseitigen Beruf erlernen wollte, habe ich zunächst an der ETH Zürich Bauingenieurwesen studiert. Nach dem Diplomabschluss habe ich bei einer Stahlbauunternehmung gearbeitet.  

Was war die Motivation, nach einem abgeschlossenen Studium und ersten Berufserfahrungen die Branche zu wechseln und eine Vollzeitausbildung als Pilot zu beginnen?
P. W.:
Schon als Kind war es mein Traum, Pilot zu werden. Mit dem ersten selbstverdienten Geld habe ich die Privatpilotenlizenz finanziert. Zudem kam ich während meiner Arbeit als Bauingenieur immer wieder mit diesem Bereich in Berührung, da wir auch Aufträge für Flughäfen, vorwiegend Gebäude, ausgeführt haben. So wurde meine Faszination für die Fliegerei wieder geweckt. Ich wollte mir nicht mit vierzig sagen, ich hätte es doch versuchen sollen. Dann wäre Pilot ewig mein Traumberuf geblieben. Deshalb habe ich mich für die Selektion bei der Swissair Aviation School beworben, alle Eintrittstests bestanden und wurde schliesslich zugelassen. 

Damit war der Wechsel in die Luftfahrt beschlossen?
P. W.:
 Die Swissair galt als absolut sicherer Arbeitgeber, und der Übertritt zur Swissair nach der Ausbildung in der Schweiz und den USA schien eigentlich gesichert. Doch das Ende der Schulung auf dem Simulator des Airbus A320 und das Datum des für jedermann unvorstellbaren Swissair-Groundings fielen in meinem Fall zusammen. Alle Flugzeuge blieben am Boden. Ich bin daher nie mit Passagieren im Liniendienst geflogen. Während der Ausbildung haben wir nichts von den Problemen gespürt, es war nicht vorhersehbar. Für mich brach in diesem Moment eine Welt zusammen, und ich musste mich neu orientieren. 

Wie sind Sie mit dieser Situation umgegangen? Hatten Sie die Möglichkeit, in der Flughafenplanung zu arbeiten, während der Ausbildung bereits im Hinterkopf?
P. W.:
 Nein, ich wusste nicht, wer Flughäfen plant, und habe dies auch nicht speziell gesucht. Ich habe mich damals bei einer grösseren Ingenieurfirma auf eine Projektleiterstelle im Bereich Tunnellüftungen beworben. Im zweiten Vorstellungsgespräch traf ich dann auf meinen möglichen zukünftigen Vorgesetzten, der selber vom Fliegen fasziniert war. Nach lediglich einer Stunde hat er mir angeboten, für die Firma nach Wien zu gehen, um in der Flughafenplanung eine Stelle als Teamleiter zu übernehmen. Ich habe mir die Filiale in Wien angeschaut, begonnen, mich in die Materie einzuarbeiten, und festgestellt, dass es hier eine Nische für die Kombination Bauingenieur und Pilot gibt. Mein Vorteil war, dass ich die spezielle Sprache der Luftfahrt kannte, mir die verschiedenen Bedürfnisse des Flugbetriebs bestens vertraut waren und ich die Infrastruktur aus der Sicht des Piloten beurteilen konnte. Es war eine spannende Zeit. Trotz der herausfordernden Arbeit in Wien zog es mich nach rund zwei Jahren im 2004 zurück in die Schweiz. 

An Bord des Bundesamtes für Zivilluftfahrt (BAZL)?
P. W.:
 Ja, ich habe als Projektleiter und Flugplatzinspektor bei der Sektion Flugplätze und Luftfahrthindernisse begonnen. Das BAZL betreut insgesamt rund neunzig Flugplätze und Heliports in der Schweiz, und jeder Platz hat seine eigenen Bedürfnisse. Zu meinen Aufgaben gehörte es zu prüfen, ob die Normen eingehalten und die Auflagen der Behörden korrekt umgesetzt wurden. Auch die luftfahrtspezifische Prüfung von Plangenehmigungsgesuchen gehörte dazu.  

Heute sitzen Sie im übertragenen Sinn im Cockpit und leiten die Sektion. Helfen Ihnen bei Ihrer heutigen Tätigkeit der Bauingenieur oder der Pilot?
P. W.:
 Beide, denn in unserer Sektion beschäftigen wir uns mit Luftfahrthindernissen wie hohen Gebäuden, Seilbahnen, Hochspannungsleitungen, Antennen etc. und mit dem Design, der Sicherheit, dem Betrieb und dem Unterhalt der Flugplätze. Vor allem das logische, lösungsorientierte Vorgehen des Ingenieurs und die spezielle Sprache der Luftfahrt brauche ich täglich. Neu sind für mich die zusätzlichen personellen Aufgaben in der Führungsposition.  

Sie verbinden erfolgreich zwei Berufe, die auf den ersten Blick nichts miteinander zu tun haben. Diese Kombination ist nicht verbreitet. Wie besetzten Sie Ihre offenen Stellen?
P. W.:
 Wir sind zehn Personen in der Sektion. Im Moment ist noch eine Stelle zu besetzen. Durch das benötigte besondere Fachwissen ist es nicht einfach, Leute zu finden. Man kann Flughafenplanung in der Schweiz nicht lernen, und es gibt auch keine Ingenieurbüros, die sich darauf spezialisiert haben. Wir müssen die Bauingenieure in der Regel anlernen. Eine Privatpilotenlizenz oder zumindest eine grosse Begeisterung für die Fliegerei sind dabei schon sehr hilfreich. 

Fehlt Ihnen das Fliegen?
P. W.:
 Als Pilot vergisst man die Fliegerei nie ganz. Doch irgendwann beginnt das Alter eine Rolle zu spielen. Für mich wäre es jetzt unrealistisch, als Linienpilot zu arbeiten und quasi wieder bei null zu beginnen. Die Fliegerei begeistert mich jedoch nach wie vor, und privat fliege ich weiterhin. Die Kombination Pilot und Ingenieur beruflich beibehalten zu können ist mir für die Zukunft wichtig.

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