De­sign für die so­wje­ti­sche Raum­fahrt – Die Ar­chi­tek­tin Ga­li­na Ba­la­scho­wa

Die monografische Ausstellung über das Werk der russischen Architektin Galina Balaschowa im Deutschen Architekturmuseum DAM in Frankfurt am Main entführt bis zum 15. November in eine Welt der Architektur, in der Schwerkraft durch Schwerelosigkeit ersetzt wird.

Publikationsdatum
10-09-2015
Revision
08-10-2015

Das Deutsche Architekturmuseum präsentiert in dieser Ausstellung eine einzigartige Sammlung von Entwürfen für die sowjetische Kosmonautik: Planungen und Konstruktionszeichnungen für Sojus-Kapseln sowie für die Weltraumstationen Saljut und Mir. Als Beraterin wirkte Balaschowa für das Buran-Programm, das sowjetische Pendant zum US-amerikanischen Space Shuttle.

Der hochtechnisierten Welt der Antriebsraketen, Laboratorien und Geräte zur Lebenserhaltung verlieh Galina Balaschowa mit ihrem Streben nach Harmonie und Schönheit eine emotionale Note. Der Begabung Balaschowas ist es deshalb zu verdanken, dass die Baugeschichte um ein wichtiges Kapitel reicher wurde: die Architektur für die Kosmonautik. Ihr aussergewöhnliches künstlerisches Werk, zu dem auch Entwürfe für Medaillen und Abzeichen zählen, ist bis heute selbst in Russland kaum bekannt. 

Leben und Werk 

Galina Balaschowa wurde 1931 bei Moskau geboren. Ihre Laufbahn begann sie im Jahr 1955 im heutigen Samara. Zunächst erhielt die junge Architektin die Aufgabe, aus Wohnungsbauentwürfen Dekorelemente wie Stuck und Skulpturen zu entfernen. Diese Schulung sollte in ihrer weiteren Karriere von Nutzen sein, denn nach der Heirat wieder in Moskau, nahm Galina Balaschowa eine Stelle im Konstruktionsbüro OKB-1 an, wo gerade der Sputnik-Erfolg gefeiert wurde.

Zunächst plante sie dort Unterkünfte für die Angestellten des Projektinstituts. 1963 lud sie der Weltraumpionier Sergej Koroljow als einzige Architektin im Betrieb ein, Entwürfe für den Wohnbereich der gerade in Planung befindlichen Raumschiffe der Sojus-Reihe anzufertigen. Da die Kollegen in ihrer Abteilung überwiegend Ingenieure waren, entwickelte sich Balaschowa zum kreativen Kopf des sowjetischen Raumfahrtprogramms – mit einer Einschränkung: Bis zu ihrer Pensionierung 1991 unterlagen ihre Zeichnungen der Geheimhaltung. 

Kosmonautik

In der Sowjetunion genossen die Raumfahrt und die mit ihr verbundene Raketentechnik oberste Priorität. Denn mit dem Start des ersten künstlichen Erdsatelliten Sputnik im Jahr 1957 und mehr noch mit dem ersten bemannten Raumflug durch Jurij Gagarin vier Jahre später erreichte der Kalte Krieg eine neue Stufe: Es begann ein Wettstreit beider politischer Systeme um die Vorherrschaft im Weltraum, galt doch die Raumfahrt als Maßstab für gesellschaftliche Leistungsfähigkeit und Fortschrittlichkeit. 

Doch neben den militärischen und politischen Aspekten stand auch der bis in die Antike zurückreichende Traum der Menschheit von der Überwindung der räumlichen Grenzen, der Eroberung des Himmels. Die beispielloseWeltraumbegeisterung der kosmischen Ära zeigt sich auch im futuristischen Formenvokabular der sowjetischen Baukunst mit ihren bildgewaltigen Motiven als Religionsersatz und der Vergötterung ihrer Protagonisten wie etwa Jurij Gagarin, Sergej Koroljow oder Konstantin Ziolkowski.

Sowjetmoderne

Parallel zu den Erfolgen der Kosmonautik als Teil der Systemkonkurrenz zwischen Ost und West kristallisierte sich in der Architekturgeschichte der UdSSR ein verbindendes Thema für ikonografische Bauten zwischen Ostsee und Pazifik heraus: U-Bahn-Stationen, die das Thema Kosmonautik interpretieren; Wohnbauten, deren Giebelfassaden mit Motiven der Weltraumforschung geschmückt sind; Hotelbauten, die wie ein Raumschiff erscheinen.

Die bildhafte Architektursprache kam in den der Öffentlichkeit verschlossenen Forschungszentren der Raketentechnik ebenso zur Geltung. Dazu zählen unter anderem die Gebäude im Kosmonautentrainingszentrum Swjosdny Gorodok, das Kontrollzentrum in Koroljow oder das Kosmodrom Baikonur. Farbige Mosaike, filigrane Glaswände und ausdrucksstarke Reliefe machen die Ingenieur- und Funktionsbauten der Raumfahrt zu architektonischen Schmuckkästchen, deren baukünstlerischer Anspruch sich bis in die Innenräume fortsetzt. 

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