Der Wald im Kli­ma­wan­del

Fachkongress «Waldbild 2050» von Waldwirtschaft Schweiz (WVS)

Der Klimawandel stellt die Waldwirtschaft vor schwierige Entscheidungen. Während der Anteil der Fichte zurückgehen wird, dürfte das Laubholz zulegen. Die Holzindustrie ist aber vorwiegend auf die Verarbeitung von Nadelholz eingerichtet. Am kürzlich durchgeführten Fachkongress in Luzern erörterten Fachleute Strategien zur Bewältigung des Dilemmas.

Publikationsdatum
21-08-2013
Revision
30-10-2015

Die Wald- und Holzwirtschaft kämpft mit hartnäckigen wirtschaftlichen Problemen. Und damit nicht genug: Wie ein Damoklesschwert hängt der Klimawandel über der Branche1. Dies veranlasste den Dachverband der Schweizer Waldeigentümer, Waldwirtschaft Schweiz, den diesjährigen Fachkongress an der Forstmesse in Luzern dem Klimawandel zu widmen. Welche Bäume taugen für den Wald von morgen? Und morgen bedeutet in diesem Fall, dass Baumarten gesucht sind, die auch noch im Klima des ausgehenden 21. Jahrhunderts bestehen können.  

Prägende Extremereignisse

Kein Zweifel: Der Klimawandel betrifft auch die Schweiz. Entscheidend ist allerdings, wie stark dieser ausfallen wird. Für die Schweiz könnte sich bis 2100 je nach Szenario eine Erwärmung von drei bis sechs Grad gegenüber dem vorindustriellen Wert ergeben – eine beträchtliche Bandbreite. Bei den Niederschlägen sind die Entwicklungen noch unsicherer; gegen Ende des 21. Jahrhunderts könnte es aber vor allem im Sommer trockener werden, was für den Wald insbesondere in den tieferen Lagen nicht ohne Folgen bliebe. Wie Peter Brang, Leiter des Forschungsprogramms Wald und Klimawandel an der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL), erklärte, dürften vor allem Extremereignisse wie Dürreperioden, Stürme und möglicherweise auch Waldbrände den künftigen Wald prägen.

Mischbestände anstreben

Langfristig werden sich vermutlich beträchtliche Arealverschiebungen der Baumarten ergeben. Für Aufregung sorgen insbesondere die Forschungsergebnisse für die Fichte. Der Rückgang des «Brotbaums» der Waldwirtschaft könnte im Mittelland nämlich dramatisch ausfallen. An Trockenheit besser angepasste Laubhölzer könnten hingegen zulegen. Die Modelle, die diesen Betrachtungen zugrunde liegen, seien aber noch recht rudimentär und berücksichtigten etwa den Boden nicht, sagte Brang. Die sogenannten Standortfaktoren spielen jedoch eine entscheidende Rolle dabei, wie viel Nährstoffe und vor allem Wasser den Bäumen zur Verfügung stehen. Mit anderen Worten: Nicht alle Standorte sind bezüglich Trockenheit gleich stark gefährdet. Die Förster können somit den Baumartenwandel in einem gewissen Rahmen mitgestalten, indem sie die durch die Standorte gegebenen Spielräume nutzen. Angesichts der unsicheren Entwicklung hält Brang Mischbestände im Moment eindeutig für die beste Lösung.

Die Aussagen zu den einzelnen Baumarten in einem künftigen Klima bezögen sich auf Grossregionen wie Jura, Mittelland oder Alpen, sagte Felix Lüscher von der Oberallmeindkorporation Schwyz. Als Forstbetriebsleiter interessiere ihn aber vor allem, was in seinem eigenen Wald geschehe. Da es in Schwyz reichlich Niederschlag gebe, könnten sich wärmere Temperaturen positiv auf das Wachstum des Waldes auswirken. Laut Lüscher wäre es wichtig zu wissen, wie viel unsere Baumarten und insbesondere die Fichte ertragen – und ab welchem Punkt sie ausfallen. «Letztlich müssen wir schauen, dass wir uns möglichst viele Freiheiten in der Waldbehandlung offen lassen, damit wir auf unvorhergesehene Entwicklungen reagieren können.»

Hohe Holzvorräte im Wald als Risiko

Vitale Bäume seien eine Voraussetzung für funktionsfähige Wälder, erklärte Adrian Lukas Meier-Glaser vom Amt für Wald des Kantons Bern. Der Klimawandel stelle für die Waldwirtschaft einen erheblichen Risikofaktor dar und erfordere von den Waldbewirtschaftern und den Forstdiensten eine bewusste Strategie. Als Beispiel dafür nannte Meier-Glaser die vielerorts sehr hohen Holzvorräte im Wald. Diese stellten ein unnötiges Risiko bezüglich Sturmschäden dar. Der Berner Forstdienst empfehle deshalb, die Holzvorräte auf ein nachhaltiges Niveau zu senken. Meier-Glaser sieht im Klimawandel jedoch nicht das grösste Problem, das die Schweizer Waldwirtschaft zu bewältigen hat. Insbesondere die mangelnde Wettbewerbsfähigkeit bereitet ihm Sorgen.

Derselben Meinung ist auch Christoph Starck, Direktor von Lignum, dem Verband der Schweizer Holzwirtschaft. Wolle die Waldwirtschaft überleben, müsse sie Erträge generieren. Beim Bauen mit Holz herrsche in der Schweiz derzeit ein Boom. Und trotzdem seien die Wald- und Holzwirtschaft massiv unter Druck. «Um auch künftig Geld zu verdienen, muss die Waldwirtschaft Holz bereitstellen, das zu konkurrenzfähigen Werkstoffen verarbeitet werden kann», sagte Starck. Und kurz- bis mittelfristig sei dies eben nur mit Nadelholz möglich.

Produktionszeit halbieren 

Entschieden auf die Karte Nadelholz – sprich die Fichte – setzt auch Jens Borchers. Als Betriebsleiter von Fürstenberg Forst im baden-württembergischen Donaueschingen ist er verantwortlich für 18.000 Hektaren Wald, die dem Adelsgeschlecht der Fürstenberg gehören. Der Sturm Lothar habe vor 13 Jahren grosse Schäden in den Fichtenbeständen verursacht und zu einem Umdenken geführt, sagte Borchers. Wer nun aber vermutet, dass man vermehrt auf Laubholz setzt, liegt falsch. Borchers sieht die Lösung in einer radikalen Verkürzung der Produktionszeit. Er beabsichtigt, die Fichten künftig bereits nach 60 bis 80 Jahren zu ernten. Die Bäume sind in diesem Alter erst zwischen 25 und 30 Meter hoch und deshalb deutlich weniger windwurfgefährdet als ältere und längere Bäume. Borchers nennt dies eine «klimaangepasste» Fichtenwirtschaft.

Peter Brang gab zu Bedenken, dass mit einer so radikalen Verkürzung der Produktionszeit – heute werden die Fichten normalerweise erst in einem Alter von 100 bis 160 Jahren geerntet – der Wald ein anderes Gesicht bekomme. ­Das stimmt natürlich. Dass der Wald aufgrund des Klimawandels aber anders aussehen wird, daran werden wir uns vermutlich ohnehin gewöhnen müssen.

Anmerkung

  1. Lukas Denzler: Der Wald verliert an Wert. In: NZZ, 24.9.2012

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