Der Al­te Elb­tun­nel Ham­burg

Der alte Elbtunnel in Hamburg war der erste grosse Unterwassertunnel auf dem europäischen Festland. Im September 2011 wurde er mit dem Titel «Histori­sches Wahrzeichen der Ingenieurbaukunst» ausgezeichnet. Eine Broschüre erzählt die Geschichte seines Baus.

Publikationsdatum
31-01-2012
Revision
01-09-2015

Der alte Elbtunnel in Hamburg verbindet den Stadtteil St. Pauli und das Hafengebiet Steinwerder. Faszinierend am Bauwerk ist vor allem sein Abstieg in die Tiefe: Die beiden Tunnelröhren unter dem Fluss werden nicht über Rampen, sondern über zwei Schachtbauwerke erschlossen. Personen, Fahrräder und Autos werden mit Aufzügen in einer offenen Stahlkonstruktion befördert. Für Rampen wäre aus Sicht der Erbauer auf der Seite St. Pauli zu wenig Platz gewesen, und sie hätten die Baukosten nach oben getrieben. Zudem hätten Rampen die Pferde vor den Fuhrwerken viel Kraft gekostet.  

Lange geplant

Fähren sorgten Ende des 19. Jahrhunderts für den Transport zwischen St. Pauli und Steinwerder. Doch vor allem im Winter behinderten Nebel und Eis den Verkehr – die Beschäftigten im neuen Hafen mussten dann den 11 km langen Umweg über die Elbbrücke in Kauf nehmen. Aufgrund der unzureichenden Fährverbindungen richteten die Unternehmer des südlichen Elbufers 1891 daher eine Eingabe an den Senat; die Frage nach einem Tunnel wurde daraufhin ausgiebig diskutiert. Auch eine Schwebefähre oder eine Hochbrücke waren im Gespräch, erschienen jedoch zu wenig leistungsfähig bzw. zu teuer. Im Frühjahr 1900 begannen konkrete Vorarbeiten für einen Elbtunnel. Als Vorbild galt der 1896 im schottischen Glasgow eröffnete Clyde-Tunnel. 

Der Bau der Schächte 

Im Mai 1907 begannen die Arbeiten. Zunächst wurde die Elbsohle angebohrt und die Beschaffenheit des Baugrunds untersucht. Im Juli 1907 begann die Bauunternehmung Holzmann mit dem Bau der Schächte auf Steinwerder und St. Pauli. Der Bauvorgang im Schacht St. Pauli entsprach einer frühen Form der heutigen Schlitzwandbauweise. Auf Steinwerder hoben die Arbeiter eine Baugrube bis zum Grundwasser aus und setzten einen der Schachtform entsprechenden Senkkasten aus Stahlguss mit einem Trägerrost ein. Der Trägerrost versteifte die Konstruktion und wurde am Schluss der Schachtabsenkung in die Sohle einbetoniert. An die Schneide setzte man von oben einen Blechmantel als äussere Schachtwand an, der nach innen mit mehreren Schichten geteerter Leinwand isoliert war. Anschliessend wurde eine zwei Meter starke Schachtwand aus Stampfbeton davor erstellt. Senkrecht, waagrecht und kreuzweise eingelegte Rundeisen in der Schachtwand sollten Risse im Stampfbeton vermeiden. Gleichzeitig mit dem Bau dieser Wand wurde mit dem Senkkasten der Schacht abgeteuft. 

Zwei Röhren unter der Elbe

Eine der grössten Herausforderungen beim Vortrieb der beiden 426.50 m langen Röhren waren die wasserdurchlässigen, weichen Bodenschichten in der Elbsohle. Zum Bau der beiden Röhren wurden zwei Eisenschilde parallel vorangetrieben und mit Röhrensegmenten aus Eisen, sogenannten Tübbingen, gesichert. Die Abdichtung erfolgte mit Blei, ein Zementanstrich schützte gegen Rost. Am 29. März 1910 wurde der Durchschlag der Oströhre gefeiert, am 1. Juni jener der Weströhre. 

Arbeiten unter Druckluft

Um das Eindringen von Schlick und Wasser während der Arbeiten zu verhindern, wurde unter Druckluft gearbeitet. Die Druckluft- oder Dekompressionskrankheit wurde zwar ab 1870 als ernsthaftes Problem wahrgenommen, man wusste aber noch wenig darüber. Bei Baubeginn hatte der Arbeitsschutz daher zunächst einen geringen Stellenwert. Alarmiert durch die vielen Krankheitsfälle setzte das Medizinalamt eine Verlängerung der Ausschleusungszeit durch, und nach Protesten der Arbeiter wurde der «Pressluftarzt» Arthur Bornstein eingestellt. Zusammen mit seiner Ehefrau Adele, die ebenfalls Ärztin war, verbesserte er die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten und erforschte die Druckluftkrankheit. Leider gingen die wissenschaftlichen Arbeiten dieser jüdischen Ärzte weitgehend vergessen, weil die Machthaber im Dritten Reich sie systematisch unterdrückt hatten. 

Auszeichnung

Der 100 Jahre alte Elbtunnel in Hamburg wurde im September 2011 als «Historisches Wahrzeichen der Ingenieurbaukunst in Deutschland» ausgezeichnet. In einer erschienenen Broschüre erzählt der Autor Sven Bardua mit interessanten Hintergrundinformationen anschaulich die Geschichte des Baus. Historische Bilder und farbige Originalpläne vervollständigen die Dokumentation.

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