Der Al­les­künst­ler

Innenräume

Anlässlich einer Ausstellung zeigt das Zürcher Museum Bellerive Gegenstände und Interieurs, die der Architekt Henry van de Velde um 1900 entworfen hat.

Publikationsdatum
14-05-2014
Revision
18-10-2015

Die Linie ist eine Kraft» – dieser einfache Satz des flämisch-belgischen «Allrounders» Henry van de Velde durchdringt sein Schaffen. Obschon seine Gegenstände und seine Interieurs – noch viel mehr als die äussere Erscheinung seiner Bauten – aus der zeitlichen Distanz dem Jugendstil verhaftet scheinen, sah er selbst seine Arbeiten dem modernen Stil nah. Dieser sollte seiner Ansicht nach nichts hervorbringen, was nicht praktische und rationale Gründe hatte. Die Gegenstände zielen dabei auf die Übereinstimmung von Form und Funktion und die Vereinfachung der üppigen Ornamente seiner Zeit. So fand Henry van de Veldes erstes für seine Familie entworfenes Haus «Bloemenwerf» bei Brüssel Bewunderung und Kritik  zugleich – staunend, begeistert und entsetzt wurde es kommentiert. Sein Gestaltungswille erfasste Möbel, Tassen, Tapeten und machte selbst vor der Garderobe seiner Frau Maria nicht halt. 

Beziehung zur Schweiz

Die aktuelle, thematisch konzipierte Ausstellung im Museum Bellerive stellt Henry van de Veldes frühe Interieurs der Jahre um 1900 anhand bedeutender Einzelstücke vor. Sie macht die Ensembles mittels Fotografien und Zeichnungen erlebbar. Die Schau knüpft an van de Veldes vielfältige Beziehung zur Schweiz an. Bereits im Jahre 1907 signalisierte eine Ausstellung seiner Innenausstattungen anlässlich der programmatischen Neueröffnung des Kunstgewerbemuseums den Aufbruch zur Kunstgewerbereform in der Schweiz. Später, gegen Ende des Ersten Weltkriegs, lebte der Autodidakt zwei Jahre in der Schweiz, bis er in die Niederlande übersiedelte. 1958 starb er im Stadtspital Zürich, nachdem er seine letzten zehn Lebensjahre in Oberägeri im Kanton Zug verbracht hatte. Das Kunstgewerbemuseum Zürich zeigte kurz darauf eine Retrospektive seines Gesamtwerks. Im weiteren Kontext gesehen sind die im Museum Bellerive ausgestellten Gegenstände und Raumsituationen Ausgangspunkt für van de Veldes vielfältigen Einfluss auf die europäische Kultur. Dieser beschränkte sich nicht auf die avantgardistische Gestaltung von Objekten und Häusern, sondern spannte einen Bogen zu seinem Engagement als Gründer der Grossherzoglich-Sächsischen Kunstgewerbeschule in Weimar. Diese führte bekanntlich 1919 mit der Fusion der Kunstschule unter Walter Gropius zum Bauhaus Weimar. 

Henry van de Veldes beeindruckendes Werk ist so gesehen nicht nur in gestalterischer Hinsicht von der Kraft der geschwungenen Linie durchdrungen. 

 

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