Das Bild vom Raum

Publikationsdatum
10-03-2016
Revision
10-03-2016

Der französische Philosoph Gaston Bachelard erkundete Bilder des poetischen Raums – «Bilder des glücklichen Raums» –und, wie er präzisierte, die Befindlichkeiten der Menschen gegenüber diesen realen oder imaginären Räumen. Sein Buch «Poésie de l’espace» war zu meiner Studienzeit an der ETH Zürich Pflichtlektüre. Ich er­innere mich an eine Stelle, an der er ein Licht in einem dunklen Wald beschreibt. Es gehört zu einem Haus und versinnbildlicht menschliche Wärme und Geborgenheit. 

Mein persönliches Bild des glücklichen – oder archetypischen – Raums ist das eines ländlichen Wohnhauses in Sansibar. Die Dorfbewohner sitzen abends auf dem Barazza, der dem Haus vorgemauerten Sitzbank. Während sie plaudern, lesen und spielen, frisst sich der Rost über die Jahrzehnte ins Wellblechdach, und der Wind pudert die Wände mit dem Staub des lateritfarben Bodens. Allmählich, würdevoll und unspekta­kulär wird der Bau so Teil des Orts. 

Solche traditionellen Häuser verschwinden, und die neuen sind technisch komplexer und vielschichtiger. Doch das Bild vom glücklichen Raum als ein­facher, überschaubarer und aus seiner Umgebung gewachsener Ort behält seine Anziehungskraft und bleibt die angestrebte, aber nicht immer getroffene Vorlage für moderne Räume – auch auf Sansibar.

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