Das Bau­haus vom My­thos be­frei­en

Ausstellung im Vitra Design Museum

Gerade mal vierzehn Jahre hat das Bauhaus existiert: 1919–1925 in Weimar, bis 1932 in Dessau und bis 1933 in Berlin. Es gilt als die Heimstätte der klassischen Moderne und wirkt bis heute. Um das Bauhaus ranken sich Mythen, die nicht immer einfach zu erklären sind. Eine Ausstellung gibt eine Übersicht zum gestalterischen und auch zum soziokulturellen Wirken dieser legendären Kulturinstitution.

Publikationsdatum
01-10-2015
Revision
15-11-2015

Gebogenes Stahlrohr, kantiger Beton, Glas und weisse Räume werden häufig als Merkmale der Gestaltung am Bauhaus gesehen und zitiert. Als kühler geometrischer Minimalismus werden das Bauhaus und sein Wirken gern klischeehaft abgetan. Gemäss dem US-amerikanischen Publizisten Tom Wolfe «ein gross angelegtes Projekt sozialen Wohnungsbaus mit kleinen Zimmern, engen Fluren und niedrigen Decken».1 Die gemeinsam mit der Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland in Bonn erarbeitete Ausstellung «Das Bauhaus #allesistdesign» zeigt allerdings ein differenzierteres Bild.  

Bauhaus als Totalexperiment

Die Ausstellung ist in vier Themengruppen gegliedert. Den Beginn macht der Blick auf den historischen und sozialen Kontext, in einem zweiten Teil sind ikonische und auch weniger bekannte Objekte des Bauhauses zu sehen. Dokumentiert ist ihre Entstehung, eine Geschichte zwischen Kunst, Handwerk, Technik und Industrie.

Der dritte Bereich thematisiert den Raum und seine Gestaltung, zeigt, wie verschiedene gestalterische Formulierungen am Bauhaus wirkten: Bühnenkünstler, Architekten und ihre Entwürfe zur Minimalwohnung, Künstler mit neuartigen Gestaltungen zu Farbe und Raum. Das Bauhaus zeigt sich hier als erstes «Totalexperiment» der Moderne, bei dem die Gestaltung in sämtliche Lebensbereiche wirkte.

Im vierten Bereich wird die Kommunikation des Bauhauses gezeigt – Typografie, Fotografie, experimentelle Filmkunst, Ausstellungen. Dort und aus einem brillanten Essay von Arthur Rüegg im Katalog ist zu erfahren, wie die oft systematisch geplanten Mythen und Klischees des Bauhauses, die es bis heute umgeben, geschaffen wurden.

Künstlerische Spurensuche

Der Blick auf Geschichte und Wirken des Bauhauses bis ins Heute wird geschärft durch das Gegenüberstellen historischer Exponate aus der Bauhaus-Ära mit Werken und Entwürfen heutiger Gestalter. Dazu kommen Interviews in Videoprojektionen und aktuelle Produkte, die direkt von Bauhausgestaltungen beeinflusst sind.

Eindrücklich ist die Arbeit des Künstlers Adrian Sauer (Leipzig), der aufgrund von ins Grossformat transferierten schwarz-weissen Bildern und mit akribischer Suche nach den Originalfarben der Räume und Möbel über digitale Bildbearbeitung ausgewählter Bauhausinterieurs einen neuen Blick auf die damalige Gestalt der Bauhaus-Schöpfungen erlaubt. Diese künstlerische Spurensuche von Adrian Sauer gemeinsam mit Wilfried Kuehn gehört zu den besonders eindrücklichen Exponaten der neuen Ausstellung im Vitra Design Museum.

In vier Jahren, 2019 also, jährt sich die Gründung des aus der von Henry van de Velde geleiteten Grossherzoglichen Kunstgewerbeschule in Weimar hervorgegangenen Bauhauses in Weimar. Die Ausstellung in Weil am Rhein erlaubt es jetzt schon, auf neue und unkonventionelle Weise, Wesen und Wirken dieser legendären Gestaltungsschule neu zu erleben.

Zu verstehen ist diese dichte und unkonventionell gestaltete Schau am besten zusammen mit dem Katalogbuch, das auf 464 Seiten und in übersichtlicher Struktur zahlreiche einzelne Aspekte des Phänomens Bauhaus ausleuchtet und vertieft.

Anmerkungen
1 Tom Wolfe «From Bauhaus to our house» (1981), deutsch «Mit dem Bauhaus leben» (1984 Philo & Philo Fine Arts)

«Das Bauhaus #allesistdesign»
Bis 28. Februar 2016 im Vitra Design Museum, Weil am Rhein
Täglich von 10 bis 18 Uhr geöffnet
Von 1. April bis 14. August 2016 in der Bundeskunsthalle Bonn (D)

Katalog «Das Bauhaus #allesistdesign»
Mateo Kries, Jolanthe Kugler, Flexcover, 250 x 190 mm, 464 Seiten, rund 500 Abbildungen, überwiegend farbig.
Deutsche Ausgabe, ISBN 978-3-945852-01-9. Fr. 89.–

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