Bo­go­tá: Stadt in der Stadt

Kolumbiens Hauptstadt Bogotá wirkt auf den ersten Blick wie ein riesiges Patchwork aus Industrie- und Gewerbebauten, Wohnhäusern jeglicher Couleur und einem Viertel, das mit seinen Wolkenkratzern einem kleinen Manhattan gleicht. Mit heute acht Millionen Einwohnern hat sich die Bevölkerungszahl während der vergangenen 50 Jahren verzehnfacht. Das hinterlässt Spuren.

Publikationsdatum
10-05-2012
Revision
25-08-2015

In dieses molochartige, vor allem nach 1960 wild gewachsene Gebilde sind indes einige Perlen eingebettet – Quartiere wie Usaquén, Chapinero oder das historische Viertel La Candelaria. Dazu über 50 Museen, mit dem rund 400 ha grossen Parque Simón Bolivar einer der grössten Stadtparks weltweit, ein ausgedehnter botanischer Garten und der während der 1930er-Jahre gebaute Campus der Universität.

Campus als Gartenstadt

Diese Anlage verdankt ihre Existenz der Regierung des liberalen Präsidenten Alfonso López Pumarejo, der in den Jahren 1934 bis 1938 Kolumbiens Schulen und Universitäten reformierte. Wichtigstes Vorhaben war dabei die Reorganisation und der Bau der Universitätsstadt in Bogotá. López wollte eine offene Universität für Studierende aus ganz Kolumbien. Als erstes konzipierte der deutsche Reformpädagoge Fritz Karsen (1885 – 1951) in seinem Auftrag eine umfassende Reorganisation in pädagogischer, wissenschaftlicher und wirtschaftlicher Hinsicht. Parallel dazu plante das Bauministerium einen von Grund auf neuen Campus. Aus dem damaligen Privatbesitz der Finca «El Salitre» im Westen der Stadt konnten zu günstigen Bedingungen 128 ha erworben werden. Der 1936 aus Deutschland ausgewanderte Architekt Leopold Rother (1894 – 1978) wurde mit der Planung des Campus beauftragt. Der vom Neuen Bauen beeinflusste Architekt befasste sich vorerst vor allem mit der Gesamtanlage des Campus als Gartenstadt. Die Stadt in der Stadt ist im Grundriss als ein Südost-Nordost orientiertes Oval mit innen liegenden Erschliessungstrassen entworfen. Die ehemals in Privathäusern und früheren Klostergebäuden untergebrachten Institute liessen sich so an einem Ort vereinigen. Die Anlage funktioniert und wirkt – mit Anpassungen – auch heute noch. Im Gegensatz dazu blieb der 1950 von Le Corbusier gemeinsam mit den kolumbianischen Architekten ­Germán Samper, Rogelio Salmona und Rainaldo Valencia entworfene Masterplan für Bogotá bloss Papier.

Druckerei wird Museum

Eine dieser Anpassungen war die Umnutzung eines 1945 von Leopold Rother geplanten Gebäudes für die Druckerei des Universitätsrektorats. Nach vier Jahrzehnten wurde diese Einrichtung überflüssig und die kolumbianische Architektenkammer schlug 1986 vor, den gut erhaltenen Bau künftig als nationales Architekturmuseum zu nutzen. Das Vorhaben wurde verwirklicht, die Institution 1992 der Kunstfakultät unterstellt und forthin «Museo de Arquitectura Leopoldo Rother» genannt. Das Museum betreut den Nachlass von Leopold Rother, sammelt Pläne und Dokumente bedeutender zeitgenössischer kolumbianischer Architektinnen und Architekten, fördert und unterstützt die Forschung, organisiert und vermittelt Ausstellungen zum Thema Architektur. Der bis ins Detail gut erhaltene Bau umfasst neben geräumigen Ausstellungsräumen eine Aula für 70 Personen, Archivräume und Büros für die Verwaltung. Vervollständigt wird dies mit einer Sammlung von Büchern, Katalogen, Zeitschriften und einer Videothek.

Das architektonische Erbe von Leopold Rother

Dieses neu genutzte und vorzüglich unterhaltene Bauwerk sowie die anderen Gebäude aus den 1930er-Jahren des Universitäts­campus sind die ersten modernen Bauwerke in Kolumbien. Neben Rother wirkten als Architekten auch Erich Lange und Ernst Blumenthal (Bau der Architekturfakultät, 1937 – 1940), Alberto Wills Ferro (Rechts­fakultät, 1936 – 1937) sowie Julio Bonillo Plata (Studentenwohnheim, 1938 – 1939). «Papa­­ Rother», wie man ihn mit Zuneigung nannte, war zudem seit 1938 auch Professor an der Architekturfakultät und beeinflusste so eine ganze Generation von kolumbianischen Architekt­innen und Architekten.­ Die Bauten der Universität Bogotá stehen heute unter Denkmalschutz. Das Kulturministeri­um ist seit einiger Zeit damit befasst, das ursprüngliche Konzept des Campus erneut und verstärkt sichtbar zu machen. Beim Architekturmuseum ist dies hervorragend gelungen.

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