Be­weg­te Ge­schich­te

Pionierleistung zwischen Brig und Iselle

Der rund 20km lange Simplontunnel im Kanton Wallis wurde vor über 100 Jahren gebaut. Erst 1982 wurde er als längster Tunnel der Welt abgelöst. Obwohl er für sein Alter in einem guten Zustand ist, braucht es nun grössere Investitionen.

Publikationsdatum
03-09-2014
Revision
18-10-2015

Am Anfang stand die Vision, die Alpen im Allgemeinen und das Simplonmassiv im Besonderen eisenbahntechnisch zu durchqueren. Nach vielen Projektideen und Studien begann 1898 der Bau des rund 20km langen Simplontunnels. Er verläuft mit Ausnahme der Ein- und Ausfahrtskurven bei Brig VS und Iselle geradlinig und liegt je zur Hälfte in der Schweiz und in Italien. Anstelle der ursprünglich geplanten Doppelspurröhre wurde die Unternehmervariante ausgeführt: Erstmals wurden zwei einspurige Tunnelröhren gebaut, die mit Querschlägen verbunden sind. Bei seiner Inbetriebnahme war der Tunnel auf dem neuesten Stand der Technik: zwei Röhren mit Gleiswechselmöglichkeit in der Tunnelmitte und elektrischem Zugbetrieb. Seitdem wurden keine gravierenden Baumassnahmen durchgeführt. 

Die grösste Anpassung war die Sohlenabsenkung mit der Erneuerung der Entwässerung zwischen 1981 und 2002, um das benötigte Lichtraumprofil für den Huckepackkorridor zu gewährleisten. Seither können Züge der rollenden Autobahn, deren Lastwagen 4m Eckhöhe aufweisen, durch den Simplon verkehren. Doch die Anforderungen an Kapazität und Sicherheit im Güter- und Personenverkehr stiegen und veranlassten die SBB dazu, den Tunnel anzupassen. Denn trotz seiner 100 Jahre ist er seit 2007 Teil der Alptransit-Lötschberg-Simplon-Achse und damit des ersten Asts der Neuen Eisenbahn-Alpentransversalen (NEAT). 

Am 6. Juni 2011 brannte es im Simplontunnel. Der Brand entstand, als die Plane eines Güterwagens die Oberleitung berührte und Feuer fing, worauf ein Kurzschluss den Zug zum Stehen brachte. Das Feuer breitete sich auf zehn weitere Güterwagen aus. Nach deren Bergung konnte das Tunnelgewölbe des vom Brand betroffenen Abschnitts untersucht werden. Dabei zeigte sich, dass die Schäden zwar grösser waren als angenommen, die Tragfähigkeit des Gewölbes aber nicht gefährdet war. Das Natursteingewölbe wies auf einer Länge von rund 300m Abplatzungen auf, die sich beim Abklopfen lösten. Auch die Fahrbahn mit den Holzschwellen und den Schienen sowie die Fahrleitung waren beschädigt. Diese Schäden mussten bis Dezember 2011 behoben sein, damit die vorgesehenen Instandsetzungsarbeiten 2012 beginnen konnten.

Nun wird seit zweieinhalb Jahren im Simplontunnel gearbeitet. Ausschlaggebend für die Instandsetzung sind die Massnahmen zur Erhöhung der Tunnelsicherheit, die sich aus Vorgaben des Bundesamts für Verkehr und Richtlinien der SBB zusammensetzen. Für die Selbstrettung mussten in beiden Tunnelröhren die Brandnotbeleuchtung und die Beschilderung verbessert und auf der Seite der Querschläge ein seitlicher Gehweg mit Handlauf erstellt werden. 

Bei den Arbeiten zwischen Ende der 1980er-Jahre und 2004 hat man überall die Gleise und den Oberbau ersetzt – mit Ausnahme der Tunnelmitte, wo die beiden Röhren durch Diagonalen miteinander verbunden sind. An dieser Stelle genügten die vier Weichen den Anforderungen noch. Jetzt holt man notwendig gewordene Erneuerungen nach und reguliert in der sogenannten Tunnelstation auch gleich die noch unzureichende Sohlenabsenkung. Das Schotterbett ist hier für heutige Ansprüche nicht dick genug. 

Des Weiteren ersetzen und vergrössern die SBB auf 25km die Entwässerungsleitungen, da die bestehenden verstopft oder versintert sind. Zudem wird die Stromversorgung angepasst. Zum einen wird die Stromversorgung des Tunnels von 4kV auf 16kV umgerüstet und komplett neu erstellt. Zum anderen sind die Oberflächenkabelkanäle der 132kV-Hochspannungskabel für die Bahnstromversorgung der Südseite nicht mehr regelkonform. Neu werden zwei Kabelrohrblöcke von 19.8km Länge mit je zwei Kabelschutzrohren erstellt und neue Kabel eingesetzt. Dafür werden alle 1500m grössere Muffennischen benötigt, die seitlich längs der Tunnelröhren angeordnet sind und im Sprengverfahren ausgebrochen werden. 

Hinzu kommen die üblichen Unterhaltsarbeiten für die Zeit zwischen 2012 und 2015. Die Arbeiten dauern voraussichtlich vier Jahre, der Zugbetrieb läuft derweil weiter. Die Investitionskosten sind auf rund 200 Mio. Franken veranschlagt. Die Arbeiten werden von der SBB ausgeführt. Italien ist weder an den Arbeiten noch an den Kosten beteiligt. Genehmigt wird das gesamte Projekt durch das Bundesamt für Verkehr in Bern. Dies ist im Staatsvertrag zwischen der Schweiz und Italien geregelt.

Anmerkung

  1. SR 0.742.140.21: Staatsvertrag zwischen der Schweiz und Italien betreffend den Bau und Betrieb einer Eisenbahn durch den Simplon von Brig nach Domodossola; abgeschlossen am 25. November 1895, von der Bundesversammlung genehmigt am 21. Dezember 1896, Ratifikationsurkunden ausgetauscht am 28. Juli 1898. Erneuerung des Staatsvertrags: 28.3.2006.

Chronologie
 

Ab 1852: erste Projekte zum Bau eines Simplon-Eisenbahntunnels.
20. September 1893: Der Bauvertrag für den Simplontunnel zwischen der Jura-Simplon-Bahn und Brandt, Brandau & Cie wird unterzeichnet. Gesamtprojektsumme 69.5 Mio. Fr., geplante Bauzeit 5.5 Jahre.
25. November 1895: Der Simplontunnel-Vertrag zwischen der Schweiz und Italien wird in Bern unterzeichnet.
22. Februar 1896: Konzessionserteilung für die Strecke von der Staatsgrenze durch Italien nach Iselle.
1898: Baubeginn – 1. August Nordseite, 16. August Südseite.
1. Mai 1903: Die Jura-Simplon-Bahn als Bauherrin des Simplontunnels wird verstaatlicht und in die SBB eingegliedert.
Oktober 1903: Nachvertrag zum Bauvertrag von 1893 wegen Erschwernissen beim Tunnelbau: neue Bausumme 76.6 Mio. Fr., Fertigstellung bis April 1905.
24. Februar 1905: Durchstich der Tunnelröhre I. Richtungsdifferenz der beiden Röhren 20cm, Höhendifferenz 9cm. 
6. Juli 1905: Durchschlag des Parallelstollens – die spätere Tunnelröhre II (2.5m Durchmesser, meist ohne Ausmauerung).
1. Juni 1906: Inbetriebnahme der Tunnelröhre I.
1912: Gründung der «Bauabteilung für den Simplontunnel II» der SBB unter der Leitung von Ferdinand Rothpletz. Beginn der Ausweitung des Tunnelprofils im Dezember, geplante Dauer vier Jahre.
15. Juli 1913: Inbetriebnahme des Lötschbergtunnels der BLS (Länge: 14. 6km, Baubeginn November 1906, Durchstich März 1911).
1921: Nach dem Bau der zweiten Tunnelröhre, der wegen des Ersten Weltkriegs teilweise unterbrochen war, wird am 4. Dezember der letzte Schlussstein des Gewölbes des Simplontunnel II eingesetzt.
16. Oktober 1922: Inbetriebnahme der Tunnelröhre II.
1982: Der Simplontunnel wird durch die Inbetriebnahme des 22.2km langen Tunnels Dai-Shimizu (Japan) als längster Tunnel der Welt abgelöst.
16. Juni 2007: Inbetriebnahme des Lötschbergbasistunnels (34.6km) auf der Lötschberg-Simplon-Achse.
6. Juni 2011: Brand im Simplontunnel.

Weitere Infos
 

Tunnellänge: 19.803m
Lichte Querschnittsfläche: 24m2 (Einspurröhre)
Achsabstand der beiden Einspurröhren: 17m 
Anzahl Querschläge: 35 bestehende und 4 neue
Abstand der Querschläge: 300 bis 500m
Maximale Gebirgsüberlagerung: 2200m
Felstemperatur: bis 50°C
Gefälle Südseite: 7‰
Gefälle Nordseite: 
Fahrgeschwindigkeit Züge: bis 160km/h
Gesamtkosten: rund 200 Mio. Fr.
Davon Rohbau: rund 75 Mio. Fr.
Logistik: rund 45 Mio. Fr.
Kabel und technische Einrichtungen: rund 40 Mio. Fr.
Weitere Kosten und Honorare: rund 40 Mio. Fr.

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