Be­kennt­nis des SIA zur bau­li­chen Iden­ti­tät der Schweiz

Am diesjährigen Parlamentarierfrühstück in Bern warb der SIA für mehr Qualität im ländlichen und landwirtschaftlichen Bauen sowie für eine qualitätsorientierte Vergabepolitik.

Publikationsdatum
22-03-2018
Revision
22-03-2018

Zeige mir, wie du baust, und ich sage dir, wer du bist.» Mit diesem Zitat von Christian Morgenstern begrüsste SIA-Vizepräsident Daniel Meyer die zahlreichen Parlamentarierinnen, Parlamentarier und Raumplanungsfachleute um 7 Uhr im Bundeshaus zum Frühstück. Serviert wurden brennende Inhalte: Qualität des Bauens und bauliche Identität des Landes.

Dem SIA ist es ein zentrales Anliegen, dass neben der Innen­entwicklung jetzt zügig klare Spielregeln beim Bauen ausserhalb der Bauzone aufgestellt und mit der Revision des Raumplanungsgesetzes durchgesetzt werden. Die Zersiedlungsinitiative – mit dem gleichen Ziel – lehnt der SIA trotzdem ab, weil diese zugleich das Ausweisen neuer Bauzonen rigide einschränken will. Zudem beurteilt der SIA die darin vorgesehene schweizweite Kompensation von Bauzonen aufgrund ihrer Komplexität als nicht praktikabel.

Vorteilhaft statt immer nur «günstig»

Dann kam Daniel Meyer auf die laufende Totalrevision des Bundesgesetzes über das öffentliche Beschaffungswesen BöB zu sprechen. Hier sei ein Paradigmenwechsel notwendig – intellektuelle Dienstleistungen wie Ingenieurleistungen könnten nicht wie standardisierte Waren beschafft werden. Es brauche einen echten Preis-Leistungs-Wettbewerb. Der Begriff «wirtschaftlich günstigstes Angebot» ist folglich so zu präzisieren, dass darunter das­jenige Angebot mit dem besten Preis-Leistungs-Verhältnis verstanden wird – also das «vorteilhafteste Angebot», das auch die Ziele der Nachhaltigkeit zu berücksichtigen hat. Dann müsse ins neue BöB – so auch der Wille der Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Nationalrats (WAK-N) – die Plausibilität des Angebots in die Zuschlagskriterien aufgenommen werden. Unrealistisch niedrige Angebote müssen zwingend genauer überprüft werden. Damit erhalten die Vergabe­behörden ein griffiges Instrument, um gegen reine Tiefpreisangebote vorgehen zu können.

Der Verfasser dieses Berichts entführte die 15 Parlamentarier und Parlamentarierinnen dann mit einigen Bildern nach Oberiberg und zeigte, wie beim Bau des dortigen Schulhauses jüngst das Beschaffungsrecht gezielt ausgehebelt wurde – mit dem Aufteilen von Aufträgen fürs Vorprojekt, fürs Bauprojekt und für die Realisierung. Das Ergebnis ist nicht nur verfahrensrechtlich, sondern auch gestalterisch unbefriedigend. Das betrifft auch den Bauboom ausserhalb der Bauzonen, wo zahlreiche wuchtige, monotone Landwirtschaftsbauten entstehen. Bei diesen Masthallen handelt e  sich oft um Typenbauten ohne Bezug zum Ort und zum Massstab traditioneller Gehöfte. Als Grundsatz muss gelten: Je grösser und exponierter die Bauten, desto sorgfältiger muss geplant werden.

Rückbaupflicht bei Wegfall der Nutzung

Zur geplanten Revision des Raumplanungsrechts vertiefte er die fundamentalen Ansätze bzw. Forderungen: Die Zahl der Bauten und Anlagen ausserhalb der Bauzone und in der Landwirtschaft – insbesondere der sperrigen, unansehnlichen Bauten – ist zu reduzieren und damit auch die mit der Nutzungen einhergehenden Infrastrukturen wie Zufahrten etc. Die baukulturelle Qualität und die landschaftliche Einpassung von Bauten und Anlagen ausserhalb der Bauzone müssen wesentlich besser werden. Sofern von bauhistorischem Wert, sind landschaftsprägende Bauten als Kulturerbe zu erhalten.

Als Grundlage ist ein zukunftsweisendes Landschaftsschutzkonzept gefordert, das auch den Veränderungen in der Landwirtschaft Rechnung trägt. Eine «strukturierte obligatorische Gestaltungsbegleitung» bzw. ein entsprechender Nachweis im Rahmen des Baubewilligungsverfahrens ist zudem aus Sicht des SIA zwingend. Bewilligungen sind nur noch befristet und mit einer Rückbauverpflichtung zu erteilen. Nach dem Wegfallen der Nutzung ist ein Rückbau ins Auge zu fassen.  Er beendete seine Ausführungen mit einem Zitat von Goethe: «Man mag doch immer Fehler begehen, bauen darf man keine.»

SIA-Vorstandsmitglied Ariane Widmer Pham legte aufgrund ihrer langjährigen Erfahrung als Direktorin des Büros für die Raum­entwicklung von acht Gemeinden bei Lausanne dar, welche Verfahren möglich und welche Aspekte berücksichtigt werden müssen auf dem Weg zur hochstehenden Baukultur.

Fokus auf die Landschaft

In den vergangenen Jahren lag der Fokus auf der Stadtentwicklung. Nun gelte es – wenngleich klar limitiert –, das Bauen in der Landschaft als Aufgabe der Planungsbegleitung ins Auge zu fassen. Mit Beispielen aus ihrer Tätigkeit als Mitglied der Stadtbildkommission Bern, die auch die bauliche Entwicklung rund um die Stadt begleitet, wies sie auf die Vielfalt der Möglichkeiten hin: Beratung, Baubegleitung durch ein Team von Fachleuten, das die Inter­essenabwägung vornimmt, Expertenverfahren, Jurys, Studienauf­träge, Testplanung. Zum Schluss verwies sie auf die Deklaration von Davos: Der SIA mache sich stark für die Verankerung des baulichen und landschaftlichen Kulturerbes in den übergeordneten Zielen des RPG.

Maria Lezzi, Direktorin des Bundesamts für Raumentwicklung, zeigte den Fahrplan auf: Im Herbst 2018 wird die Botschaft zur Revi­sion des Bundesgesetzes über die Raumplanung (2. Etappe) in die Vernehmlassung gehen. Aus deren erster Etappe hat sie mitgenommen, dass mehr Flexibilität ohne Qualitätsverlust das Ziel sein muss.

In der folgenden Diskussion kam von den Parlamentariern viel Zustimmung für die Qualitätsanliegen des SIA. Doch gab es auch Gegenreden für die Anliegen der Landwirtschaft. Nationalrat Daniel Fässler, Appenzell-Ausserrhoden, kritisierte die Ausführungen zur Bautätigkeit ausserhalb der Bauzone. Im Appenzeller Land hätte die Streusiedlung nämlich Tradition – und sei somit Teil des kulturellen Erbes. Das gelte es auch in Zukunft zu berücksichtigen. Doch auch er wünscht sich mehr Qualität beim Bauen.

Der Thurgauer Nationalrat Markus Hausammann, Vorstandsmitglied des Schweizerischen Bauernverbands, bestritt, dass Bauern gern hässliche Bauten in die Landschaft stellten. Im Alltag rangierten jedoch Kosten und Funktionalität meist vor der Ästhetik. Doch seien Landwirte durchaus offen für eine Beratung auf Augenhöhe durch Architekten, die auf ihre Bedürfnisse eingeht. Ziel müsse ein Mehrwert für alle sein. Mit diesem Konsens ging es nach dem Frühstück an die Arbeit – die Vertreter des SIA nehmen diesen Impuls auf und gehen im Dialog mit dem Bauernverband an die Erarbeitung eines Beratungsangebots für die Landwirtschaft.
 

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