Be­grün­te Aus­sich­ten

Wettbewerb Neubau Schweizerisches Tropen- und Public-Health-Institut (Swiss TPH)

Für das neue Tropeninstitut entwerfen Kunz und Mösch Architektur mit exotischem Flair. Sie schichten Forschung, Lehre und Dienstleistungen getrennt übereinander und verquicken sie so, dass der interdisziplinäre Austausch gefördert wird.

Publikationsdatum
11-05-2017
Revision
11-05-2017

Das Schweizerische Tropen- und Public-Health-Institut (Swiss TPH) ist in diesem Bereich die grösste Einrichtung der Schweiz. Das Institut trägt durch Forschung, Lehre und Umsetzungsprogramme zur Verbesserung der Gesundheit weltweit bei. Schwerpunkte sind Infektionskrankheiten, nicht übertragbare Krankheiten, Umwelteinflüsse auf die Gesundheit, Geschlechterfragen, Epidemiologie und globale Gesundheit.

Masterplan

Das Swiss TPH will seine auf verschiedene Orte in Basel verteilten Büros, Labors und Lehrräume zusammenführen. Der vorgesehene Standort liegt in der Gemeinde Allschwil. Der Masterplan «BaselLink» umfasst eine Fläche von über zehn Fussballfeldern mit einem Innovationspark von über 6000 Arbeitsplätzen. Er sieht einen gemeinsamen zentralen Grünraum, ein nachhaltiges Energie- und Kommunikationskonzept sowie eine synergiefördernde Mischung von Nutzern vor.

Das Swiss TPH will die grösste Parzelle mit einem Neubau besetzen und mit rund 600 Mitarbeitenden an diesen Standort umziehen. Die reisemedizinische Beratung und das Ambulatorium sollen am heutigen Standort an der Socinstrasse in Basel verbleiben. Die Universität Basel führte einen Projektwettbewerb im selektiven Verfahren für Projektteams mit Fachleuten aus Architektur, Gesamtleitung/Projektmanagement und Laborplanung durch. Aus 56 Bewerbungen wurden 15 Teams zur Teilnahme am Wettbewerb ausgewählt.

Kompakt, roh und begrünt

Der Beitrag «Belo Horizonte» von Kunz und Mösch wird vom Preisgericht einstimmig zur Weiterbearbeitung empfohlen. Die verschiedenen Nutzungen sind übereinandergeschichtet. Im Erdgeschoss befinden sich die Räume mit Publikumsverkehr wie Mensa, Foyer, Seminar- und Schulungsräume sowie die ­studentischen Arbeitsplätze und die Freihandbibliothek. Darüber liegen zwei Laborgeschosse, die die ganze Tiefe des Gebäudes nutzen. Die ­beiden Bürogeschosse im dritten und vierten Obergeschoss sind zurückversetzt und zusätzlich über Innenhöfe belichtet. Ein besonderes Merkmal dieses Entwurfs ist die begrünte Fassade. Sie besteht aus Brüstungsbändern aus rohem Beton, Pflanztrögen und grossen Metallfenstern. Auch im Innern wird diese Materialisierung fortgesetzt. Die Verfasser beziehen sich als Referenz auf den brasilianischen Architekten Paulo Mendes da Rocha und entwerfen eine Bilderwelt, die den Aufgaben des Instituts entspricht.

Als einziges Projekt hat «Belo Horizonte» ein durchgehendes quer liegendes Atrium. Es verbindet den Eingang im Erdgeschoss direkt mit dem dahinterliegenden Grünraum des Masterplans. In den Obergeschossen wird die Halle mit zusätzlichen Treppen und Aufenthaltsbereichen zum Identifikations-, Erlebnis- und Kommunikationsraum, ohne dass die Nutzflächen dadurch zerschnitten werden. Das kompakte Volumen in Verbindung mit einer durchdachten Grund­konstruktion überzeugt durch Flexibilität und Wirt­schaftlichkeit. Die archaische Materialwahl unterstützt dieses solide Konzept. Die einzelnen Bereiche für Forschung, Lehre und Dienstleistung sind übereinander geschichtet und geschickt mit­einander verbunden, um den Austausch der verschiedenen Bereiche zu fördern.

Erde zu Erde

Der Beitrag «En Terre» von Boltshauser Architekten erhält den zweiten Preis. Er ordnet die Labors und die Büros in zwei durch eine markante Fuge getrennten Gebäudekörpern an. Die Trennung von hoch­installierten Labors und Büros mit weniger hoher Installationsdichte funktioniert gut. Im Erdgeschoss liegen die öffentlich zugänglichen Räume mit dem Haupteingang an der Schmalseite. Von dort gelangt man in ein Atrium mit einer zweiläufigen runden Treppenanlage, die alle Geschosse erschliesst. Zwei sich überschneidende Zylinder an der Strassenkreuzung bilden einen besonderen Auftakt in der Fassade aus Stampflehm. Die Materialisierung knüpft an die afrikanische Lehmbautradition an und findet so einen kohärenten Ausdruck für das Tropeninstitut. Die Jury urteilt, der Baukörper scheine «aus einer europäischen oder amerikanischen Stadt nach Allschwil gefallen zu sein». So richtig in Allschwil angekommen ist das Projekt nicht, und die Inszenierung der Treppenanlage wirkt überdimensioniert.

Schnörkellos

Der drittrangierte Beitrag «Rudi» des Nachwuchsteams Zumthor Stern & Bernstein Bâtir ist im Auftritt nüchterner. Ein grossmaschiges Betongitter gliedert das fünfgeschossige Gebäude und zeichnet sich durch die Übereckverglasungen und die zweigeschossigen, in die Fassade eingeschnittenen Rücksprünge über den Eingängen aus. Im Erdgeschoss liegen die öffentlichen Nutzungen, dar­über die drei Bereiche Labor, Büro und Administration. Kernelement ist ein fünfgeschossiges Atrium, das Sichtbezüge schafft und die departementsübergreifende Kommunikation unterstützt. Obwohl das Projekt die funktionalen Anforderungen erfüllt und das Raum- und Arbeitskonzept als «beinahe perfekt» beurteilt wurde, konnte es im Bereich des Tragwerks und bei der Fassadengestaltung nicht überzeugen. Insbesondere die «aussenliegende Tragstruktur, fehlende Eckstützen, stützenlose Auskragungen im Atriumbereich wie auch grosse Spannweiten in anderen Gebäudeteilen» erfordern laut Jury­bericht aufwendige Lösungen oder seien so gar nicht realisierbar.

Schichten, stapeln oder aneinanderreihen?

Die drei ersten Projekte unterscheiden sich in der Grunddisposition der verschiedenen Nutzungen. Kunz und Mösch schichten sie übereinander, Boltshauser Architekten stapeln sie in zwei getrennten Baukörpern, und Zumthor Stern & Bernstein Bâtir ­reihen die Nutzungen im Grundriss aneinander. Auch sonst sind die Vorschläge sehr unterschiedlich. Vom kultivierten Rohbau mit begrünter Fassade über den massiven Lehmbau mit inszenierter Treppenanlage bis zum nüchternen Betongerippe mit perfektem Raumkonzept ist alles dabei. Der zur Weiterbearbeitung empfohlene Entwurf ist kompakt, damit auch wirtschaftlich und findet für das Institut einen stringenten architektonischen Ausdruck.

Weitere Informationen zu diesem Projektwettbewerb finden Sie unter der Rubrik Wettbewerbe.

Auszeichnungen

 

1. Rang/1. Preis: «Belo Horizonte»
Kunz und Mösch mit Dr. Heinekamp Labor- und Institutsplanung


2. Rang/2. Preis: «En Terre»
Boltshauser Architekten mit Laborplaner Tonelli


3. Rang/3. Preis: «Rudi»
ARGE ­Caesar Zumthor Architekten + Markus Stern Architekten (Nachwuchsteam) mit Bernstein Bâtir und Laborplaner Tonelli


4. Rang/4. Preis: «Tingatinga»
Luca Selva Architekt mit Morgan Sindall Professional Services


5. Rang/5. Preis: «Open Access»
Christ & Gantenbein Architekten mit GMS Partner und Labor Plan


6. Rang/6. Preis: «Pharos»
Nissen Wentzlaff Architekten mit Laborplaner Tonelli

 

Jury
 

Marco Frigerio, Kantonsarchitekt, Baselland (Präsident); Thomas ­Blanckarts, Leiter Hochbauamt, Basel-Stadt; Reto Pfenninger, Zürich; Marie-Theres Caratsch, Luzern; Charlotte von Moos, Basel (Ersatz)

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