Bau­li­che He­te­ro­ge­ni­tät

Konflikte in Wetzikon

Wetzikon wuchs aufgrund verbesserter Bahnanschlüsse stetig in Richtung Zürich. Dadurch veränderte sich das ehemals ländlich geprägte Ortsbild. Heute prägt ein Mix an Baustilen und -volumen die gebaute Umwelt.

Publikationsdatum
29-12-2014
Revision
18-10-2015

Vor wenigen Jahrzehnten noch waren für das Ortsbild von Wetzikon die fünf alten Dorfkerne bestimmend. Heute sind vor allem diejenigen Quartiere von Wetzikon prägend, die zwischen den ehemaligen Kernen entstanden sind. Zwischenräume in den Siedlungsstrukturen wurden mit Neubauten aller Art aufgefüllt – gleichzeitig blieben jedoch ältere Gebäude stehen. Diese bauliche Hetero­genität widerspiegelt die Konflikte und Veränderungen innerhalb der lokalen Akteurskonstellationen. 

Steigt man am Bahnhof Wetzikon aus und schreitet die hier beginnende Bahnhofstrasse in Richtung Oberwetzikon ab, sieht man eine Siedlungslandschaft, die durch einen Mix aus modernen und älteren Mehrfamilienhäusern, Gründerzeitpunktbauten und Einfamilienhäusern geprägt ist. Die zahlreichen Einkaufsmöglichkeiten und Restaurants machen diese Strasse zum faktischen Zentrum Wetzikons. Ein Problem aus Sicht der kommunalen Exekutive: Anstelle der Bahnhofstrasse sollen die beiden Quartiere beim Bahnhof und in Oberwetzikon sowie die Neubaugebiete zu den städtisch dichten Zentren Wetzikons werden; die ehemaligen Dorfkerne sollen ländlich bleiben.

Neues Planungsbewusstsein und Konflikte mit Investoren

Das stetige Wachstum Wetzikons – getrieben durch den Ausbau der S-Bahn-Verbindungen nach Zürich – führte im Jahr 2006 zur Neuschaffung der Stelle des Stadt­planers, zu einem neuen öffentlichen Planungs­(selbst)bewusstsein und damit zu einer veränderten lokalen Akteurskonstellation. Die Entwicklungsziele der Gemeinde wurden geschärft und erstmals schriftlich festgehalten. Zunehmend intensivierten Bauverwaltung, Stadtplanung und Exekutive ihre planerischen Aktivitäten, zum Beispiel mittels der Festlegung von Parzellen, auf denen Gestaltungsplanpflicht besteht, einer Planungszone für das Bahnhofsareal, aber auch in regulären Baubewilligungsverfahren via § 238 des kantonalen Baugesetzes (Ästhetik-/Einordnungsparagraph). 

Gleichzeitig zeigen die Bemühungen der Ge­meinde die Grenzen des öffentlichen Interventionsspielraums auf. Bei der Projektierung des Quartiers Widum zum Beispiel prallten die Entwicklungsvorstellungen von privaten und öffentlichen Akteuren aufeinander. Der Stadtplaner drängte auf Blockrandbauten und auf eine kleinstädtische Variante der Gartenstadt mit Stadtvillen. Einige private Entwicklerfirmen sahen jedoch für ihre präferierte Klientel Reiheneinfamilienhäuser mit eigenen Gärten vor. Durchsetzen konnten sich die öffentlichen Behörden vor allem auf den Arealen, wo sie zumindest einen Teil des Landes besassen. Ähnliches gilt für die beiden anvisierten Ortszentren: Hohe Ausnutzungsziffern und Gestaltungsplanpflicht als Anreize für private Neuentwicklungen und Verdichtung stossen bei manchen Grundbesitzern auf taube Ohren. Das Resultat ist statt der erwünschten urbanen respektive ländlichen Homogenität ein anderes, ebenso typisches Bild für Agglomerationslandschaften: heterogene Siedlungsräume mit urbanen Inseln auf Quartiersebene, an denen sich verschiedene Grade von Urbanisierung abbilden. Sichtbar sind diese Unterschiede an den Formen des öffentlichen respektive privaten Raums sowie an den realisierten Bauformen.

Lernen von Wetzikon

Die exemplarisch gezeigten Konflikte hinsichtlich der zukünftigen Bebauungsart sind in Wetzikon ein wichtiger Grund für die heutige Form der fragmentierten Urbanisierung auf Quartiersebene. Eine interventionistische Haltung der strategisch tätigen kommunalen Behörden und die Erarbeitung konkreter öffentlicher Entwicklungsziele (z. B. mittels Entwicklungsleitbildern) können im Konfliktfall paradoxerweise auch zu räumlichen Effekten führen, die den öffentlichen Zielen widersprechen.

Weiter zeigt sich die Rolle des privaten Eigentumsrechts als potenzieller Knackpunkt in der weiteren baulichen Entwicklung und der angestrebten Verdichtung in Agglomerationsgemeinden. Dies vor allem dann, wenn Grundeigentümerinnen und
-eigentümer trotz finanzieller Anreize und politischem Druck ihre Liegenschaften nicht neu entwickeln wollen. Wichtig scheint, dass in solchen Fällen die mögliche zukünftige Entwicklung dieser Einzelparzellen inmitten der Planung von Neubauten nicht in Vergessenheit gerät. Eine zukünftige Integration solcher Parzellen in die umliegenden Neubauten oder deren spätere Gestaltung als öffentliche Freifläche muss darum bei der heutigen Planung bereits mitgedacht werden. 

Wetzikon


Gesamtfläche: 16.7 km(Siedlungsfläche 27.9%)
Bevölkerung: 22.669 Einwohner
Exekutive: 7 Personen
Legislative: Gemeindeversammlung, ab Mai 2014 Gemeinde­parlament. 
Politische Verantwortung für die Bauverwaltung: Je ein Vorsteher Ressort Hochbau, Tiefbau, Planung und Sport; Gemeindepräsident (Vorgesetzter des Stadtplaners)
Beschäftigte Bauverwaltung: Hochbauresort: 1 Hochbau­leiter, 2 Sachbearbeiter, 1 Bausekretärin, 1 Stadtplaner (untersteht der Abteilung Präsidiales); Tiefbauresort: 1 Abteilungsleiter Bau, 2 Sekretärinnen, 4 Beschäftigte im Bereich Tiefbau
Behandelte Baugesuche 2012: 215

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