Bewahren, verdichten oder neu interpretieren?
Drei Projekte an unterschiedlichen Standorten beweisen, dass die kompakte Wohnform vergangener Tage genügend Substanz für die Zukunft hat und zu architektonischer oder handwerklicher Feinstarbeit animiert.
Reanimation: Flarzhäuser Elsau ZH
Das Flarzhaus war bäuerliches Heim und Werkplatz für die frühindustrielle Heimarbeit zugleich. Staufer & Hasler Architekten haben in Elsau, einer Landgemeinde bei Winterthur, eine animierende Interpretation dieser traditionellen Wohn- und Bauform gewagt und dazu drei Neubauten aus der hochwertigen Kombination von Holzbauweise mit modernstem Design und stabiler Bodenhaftung entworfen. Blickfang sind die filigranen Lamellenfassaden und die verbindenden Laubengänge mit den selbstbewussten Betonpasserellen. Die Wohnungen sammeln sich um überhohe Zentralräume, deren Lichtraum einem Kaminschacht nachempfunden ist. Derweil zeigt die dreiteilige Genossenschenschaftssiedlung neben der Dorfkirche, dass auch auf dem Land die Möglichkeit zur sozial verträglichen und durchmischten Siedlungsverdichtung besteht. Dies ist auch der Weitsicht der Lokalbehörden zu verdanken, die sich erfolgreich gegen ein Spekulationsvorhaben an diesem zentralen Standort gewehrt haben.
Am Bau Beteiligte
Wohnüberbauung «Flarzett», Elsau
Bauherrschaft: Gemeinnützige Wohnbaugenossenschaft Winterthur GWG
Architektur: Staufer & Hasler Architekten, Frauenfeld
Landschaftsarchitektur: Mettler Landschaftsarchitektur, Gossau
Bauzeit: 2014–2017 (etappiert)
Rekonstruktion: Lorzenweid Cham ZG
Vor knapp 150 Jahren bewohnten zeitweise über 100 Arbeiter mit Familien die Lorzeninsel. Nun sind die acht Kosthäuser der ehemaligen Baumwollspinnerei Hagendorn bei Cham spärlicher und weiträumiger belegt. Die dreistöckigen Häuser, zwischen 1868 und 1876 erstellt, sind neu in jeweils zwei Eigentumswohnungen eingeteilt. Diese sind vertikal verschachtelt und weiten sich auf einen Anbau aus. Das Anliegen der Denkmalpflege, die kammerartigen Grundrisse mit dem charakteristischen Stichgang im Originalzustand zu belassen, wurde dabei erfüllt. Weitgehend erhalten blieben auch die Gebäudesubstanz und die Hauptstruktur; die Holzbauteile im Dachstock, im tragenden Fachwerk und in den Zwischendecken mussten, ebenso wie die Ausfachung, nur partiell rekonstruiert werden. Auch der Sockel, eine Bruchsteinmauer, konnte instand gestellt werden. Die vollständig rekonstruierten Holzfassaden sind dem Original nachempfunden. Allerdings ist die Bretterverschalung wie vor dem Umbau rötlich-braun gefärbt; die Anbauten sind gräulich lasiert, was eher dem Originalzustand entspricht.
Am Bau Beteiligte
Kosthäuser Lorzenweid
Bauherrschaft: Strüby Immo, Seewen SZ
Architektur: Strüby Konzept, Seewen SZ
(Wettbewerbsstudie: S + K Schenk Architekten / Vuotovolumen, Bern)
Landschaftsarchitektur: asp Landschaftsarchitekten, Zürich
Bauzeit: 2015–2017
Restauration: Schöller & Cie, Zürich
Rundherum protzen Hochschul- und Bürotempel, Hotels sowie schicke Wohnsiedlungen; mittendrin sind mehrere Reihenhäuschen als Reminiszenz an das Textil- und Maschinenarbeiterquartier Zürich-West stehen geblieben. Die als Baudenkmäler geschützten Objekte an der Förrlibuckstrasse, je eine vier- bzw. achtteilige Häuserreihe, zeigen einen beispielhaften Übergang vom Heimatstil zum sachlichen Bauen. Eine weitere Besonderheit für die Bauperiode zwischen 1918 und 1931 ist die robuste Materialisierung. Deshalb konnten die strukturellen und gestalterischen Merkmale (Fenster mit gezogenem Glas, Handgriffe, Holztreppen) relativ kompromisslos gepflegt und aufgefrischt werden.
Der einstige Rauchabzug ist nun Steigschacht für die haustechnische Erschliessung der drei Wohngeschosse. Leicht angepasst wurde hingegen die Raumaufteilung, um mehr Platz für die Badezimmer zu gewinnen und mehr Licht in die Mittelgänge zu bringen. An der Kellerdecke und über dem Estrichboden ist zudem eine Dämmschicht angebracht worden. Die Wohnungen mit 4.5 und 5.5 Zimmern waren trotz ihren kompakten Wohnflächen an dieser Lage problemlos zu vermieten.
Am Bau Beteiligte
Reihenhäuser Förrlibuck, Zürich
Bauherrschaft: Hardturm AG, Zürich
Architekten: Dachtler Partner Architekten, Zürich
Bauzeit: Oktober 2013 bis April 2017