27 be­weg­te Jah­re

gta-Ausstellungen 1986-2013

Philippe Carrard hat über 200 Ausstellungen am Institut für Geschichte und Theorie der Architektur (gta) der ETH realisiert. Nun geht er in Pension.

Publikationsdatum
16-01-2014
Revision
13-10-2015

Wer in den letzten 45 Jahren an der Architekturabteilung der ETH Zürich (das heutige D-Arch) ein- und ausgegangen ist, kann sich eine Zeit ohne Architekturausstellungen kaum vorstellen. Doch deren Geschichte ist relativ jung. Die erste offizielle Architekturausstellung der ETH Zürich, «Angelo Mangiarotti», fand 1968 in Karl Egenders Globus-Provisorium statt. Der Impuls kam damals von Heinz Ronner (1924–1992), Professor für Architektur und Konstruktion. Zusammen mit seinen Assistenten baute er 1969–1975 eine Ausstellungstätigkeit auf, zu deren Höhepunkten etwa die mittlerweile legendäre Louis-Kahn-Schau in der Haupthalle der ETH zählte.1 Erst 1976 wurde die feste Organisationsstelle für Ausstellungen OAA am Institut für Geschichte und Theorie der Architektur (gta) geschaffen. 

Mit der Leitung des neuen Bereichs wurde 1986 der Architekt Philippe Carrard betraut, der bereits seit 1975 als Ausstellungsmacher an der ETH tätig war. Die erste offizielle Schau, «Le Corbusier und die Schweiz – Dokumente einer schwierigen Beziehung», wurde am 5. Februar 1987 eröffnet. Von den ersten Anfängen an prägte Philippe Carrard als unermüdlicher Organisator, Macher und Kommunikator die Entwicklung von gta Ausstellungen. Zusammen mit seinem Team bespielte er die festliche Haupthalle des ETH-Hauptgebäudes von Gottfried Semper ebenso wie den vom schwarzen Pirelli-Boden verdunkelten Eingangsbereich des HIL-Gebäudes auf dem Hönggerberg. Dabei brachte er eine Dynamik in Gang, die wahrlich ungewöhnlich und für manche auch gewöhnungsbedürftig war. 

Unermüdlicher Organisator

Zum einen die schiere Menge und das atemberaubende Tempo, in dem die Veranstaltungen aufeinanderfolgten: Unter der Ägide des umtriebigen Leiters wurden seit 1986 über 200 Ausstellungen durchgeführt, bis zu zwölf im Jahr. Viele davon gingen anschliessend auf Tournee, unter anderem an das Architekturmuseum Basel, die Accademia in Mendrisio, aber auch nach ganz Europa. Die letzte Schau entstand in Zusammenarbeit mit dem SIA zur Auszeichnung «Umsicht – Regards – Sguardi 2013» und wurde am 3. Dezember 2013 eröffnet. 

Zum anderen die Finanzierung: Mit einem bescheidenen Budget seitens der ETH ausgestattet, scheute sich Carrard nicht, den Kontakt zur Industrie zu suchen. Auf diesem Weg entstanden langjährige Partnerschaften mit Firmen, die nicht nur als Sponsoren auftraten, sondern auch Preise und Auszeichnungen ausschrieben – zum Beispiel den Eternit-Architekturpreis für Studierende, den Beton-Preis (Betonsuisse), den Tageslicht-Award (Velux Stiftung) oder den Brick Award (ZZ Wancor). Diese Nähe zur Bauwirtschaft löste in ETH-Kreisen nicht nur Wohlwollen aus: Man fürchtete um die fachliche Unabhängigkeit der Ausstellungen. Doch erst die akquirierten Drittmittel haben es Carrard ermöglicht, den neu geschaffenen Bereich zu einer international beachteten Institution aufzubauen. Auch die über 40 Bücher, die zu den Ausstellungen – häufig im gta Verlag – erschienen sind, wären ohne Sponsorengelder nicht finanzierbar gewesen.

Kontroverse Themenwahl

Nicht zuletzt sorgte Philippe Carrard auch mit seiner Themenwahl für Diskussionen. Neben den zahlreichen Ausstellungen, die sich architekturhistorischen Fragen widmeten, gab es auch jene, die einem breiteren Publikum zugänglich waren: monografische Ausstellungen über aufstrebende Schweizer Architekturbüros etwa oder solche über einzelne Neubauten. Carrard hatte zudem keinerlei Berührungsängste gegenüber verwandten Disziplinen: Davon zeugen die Reihe über Architekturfotografie und die Ausstellung über das Ingenieurbüro Schnetzer Puskas (2013). Die Selbstverständlichkeit, mit der Carrard sich an die nicht immer unbelastete Zusammenarbeit Architekt-Ingenieur heranwagte, zeigt sein Sensorium für aktuelle Themen, die der Planerszene unter den Nägeln brennen. Doch dieser Bezug zur Tagesaktualität provozierte auch irritierte Kommentare zur thematischen Ausrichtung von gta Ausstellungen, das als Teil eines der Geschichte und Theorie verpflichteten Instituts die fröhliche Vielfalt der Gegenwart feierte.

Ende September 2013 ist Philippe Carrard nach 40 Jahren an der ETH und 27 Jahren an der Spitze von gta Ausstellungen offiziell in den Ruhestand getreten. Bis Ende Jahr hat er die letzten bereits aufgegleisten Veranstaltungen begleitet. Danach übernehmen die beiden jungen Ausstellungsmacher Fredi Fischli und Niels Olsen von Studiolo mit einem weitgehend neuen Team das Ruder. Die beiden angehenden Kunsthistoriker verfügen über ein eindrückliches, allerdings stärker von Kunst als von Architektur geprägtes Portfolio. Zweifellos werden sie gta Ausstellungen neu ausrichten. Die Nähe zur Bauindustrie, zur architektonischen Praxis und zum Alltag des Bauens, die die Institution bisher ausgezeichnet hat, wird in Zukunft wohl durch andere Themen abgelöst, die für neue und andersartige Diskussionen sorgen werden. Auf die anbrechende Ära von gta Ausstellungen darf man gespannt sein.

Anmerkung

  1. Die Vorlesung «Silence and Light», die Louis Kahn am 12. Februar 1969 anlässlich der Ausstellungseröffnung im Auditorium Maximum der ETH Zürich gehalten hat, ist 2013 als CD und Buch erschienen (vgl. «Die Stimme des Meisters»). Alessandro Vassella (Hrsg.): Louis I. Kahn. Silence and Light. Prolog: Balkrishna V. Doshi, Einleitung: Bernhard Hoesli. Park Books, Zürich 2013.
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