Stahl­bau di­gi­tal

Erster Schweizer Stahl- und Metallbautag

Ist die Branche fit für das digitale Bauen der Zukunft? Diese Frage beschäftigte über 200 Architekten und Ingenieurinnen sowie Unternehmende aus der Stahl- und Metallbaubranche am ersten Schweizer Stahl- und Metallbautag.

Publikationsdatum
08-11-2016
Revision
08-11-2016

Der erste Vortragsblock vermittelte Grundlagenwissen und illustrierte den Stand der Forschung. Der zweite Teil betrachtete die Schnittstelle Architekt und Ingenieur und demonstrierte moderne Fertigungstechnik. Die Präsentationen des dritten Abschnitts stellten die Schritte vom Aufmass bis zur Montage in den Vordergrund. Die zahlreichen Aussteller der Werkschau sorgten für den Bezug zur Praxis. Mit der Verleihung des Prix Acier 2016 (vgl. «Leistungsschau in Stahl») endete die Veranstaltung.

Grundlagen/Forschung

In seinem einleitenden Referat appellierte Peter Dietrich, Direktor Swissmem, an das Publikum, sich von der Digitalisierung der Prozesse nicht stressen zu lassen. Er beurteilte die Ausgangslage in der Schweiz mit ihrer Bildungs-, Forschungs- und Innovationslandschaft als sehr gut. Nach seiner Auffassung führt die Vernetzung eigener Kompetenzen mit den richtigen Partnern zu neuen, tragfähigen Lösungen.

Aus Sicht von Philipp Dohmen, verantwortlich für die Implementation von BIM bei Drees & Sommer, liegen die Vorteile des digitalen Bauens in der Beschleunigung durch Information und Simulation und der klaren Definierbarkeit der Ziele, die erreicht werden sollen. Aufschlussreich waren auch seine Ausführungen zu den Wechselwirkungen zwischen Analyse und Synthese.

René Jähne, Forscher am NCCR der ETHZ, stellte den aktuellen Stand der Forschung im Bereich der digitalen Fabrikation und innovativer Bautechnologien in der Architektur vor. Anhand verschiedener Beispiele zeigte er das Forschungsziel auf, neue Entwurfs- und Fertigungsmethoden auf der Basis hochauflösender additiver Fertigungsstrategien zu entwickeln.

Claus Maier von Ernst Basler und Partner beleuchtete die Grundzüge einer Open-BIM-Methodik für die Schweiz. Als einen der Vorzüge dieser Planungsmethode hob er hervor, dass Modell und Datenbank innerhalb des Prozesses mehrfach von den Beteiligten überprüft werden.

Wie koordiniert gehen wir in die digitale Zukunft? Anhand einer Soll/Ist-Analyse führte Odilo Schoch, Leiter Netzwerk_Digital, eine Bestandsaufnahme durch. Wie er darstellte, könne zum heutigen Zeitpunkt noch nicht von einer Standardisierung gesprochen werden. Zudem sprach er das Thema Stellenabbau durch neue Technologien an und forderte die Verantwortlichen auf, sich stärker für die Bildung zu engagieren.

Digitale Fertigung

Nach der Mittagspause, die ausreichend Gelegenheit für den Austausch bot, erläuterte Johannes Kuhnen von der Design-to-Production GmbH, wie das Unternehmen als Schnittstelle zwischen Ingenieur und Unternehmung fungiert. Um maschinenlesbare Daten zu erzeugen, werden die Pläne nicht mehr von Hand gezeichnet. Stattdessen wird ein parametrisches Modell erstellt, aus dem – nach dem Optimieren – alle Datensätze abgeleitet werden.

Den nächste Schritt in die Zukunft der Fertigungsprozesse zeigte Justin Geraerds, Kranendonk Production System BV, mit eindrücklichen Bildern und Videos. Zunächst stellte er fest, dass es durch intelligente Software beim Entwerfen fast keine Beschränkungen mehr im Stahlbau gibt. So reagiert eine automatisierte Programmierung auf das ständig steigende Produktionstempo bei reduzierten Kosten. Auf der Basis dieser Steuerungen stellen Fertigungsstrassen zusammengesetzte Stahlträger und komplexe Knoten her.

Einen ähnlichen Ansatz verfolgt auch Dr. Andreas Hofer, Zeman AG mit der Automatisierung im Stahlbau durch robotergestützte Systeme. Wenn er auch nicht verhehlt, dass neue Technologien Arbeitsplätze vernichten werden, ist er doch der Meinung, dass diese auch Chancen für eine neue, menschenwürdigere Qualität der Arbeit darstellen. Roboter bzw. deren Steuerungen waren nicht intelligent genug, um mit den Anforderungen zurechtzukommen. Die digitale Vernetzung wird erst jetzt möglich, weil das Internet nun gigantische Speicher- und Datenverarbeitungsmöglichkeiten bietet.

Seine Vision der Zukunft sieht in der Smart Factory das Verschmelzen virtueller (Daten) und realer (Fertigung) Welten. Also ein System, in dem alle Maschinen miteinander und auch mit den Teilen vernetzt sind, mit denen sie arbeiten. Die Rolle des Menschen wird darin bestehen, die Prozesse zu überwachen. In der Folge entstehen neue Arbeitsplätze.

Vom Aufmass zur Montage

David Zimmermann von Leica Geosystems demonstrierte den Einsatz von 3-D-Vermessung und Laserscanning als Grundlage für ein BIM-Modell und den Import von Punktwolken in 3-D-Software.

Über den Planungs- und Herstellungsprozess im Stahlbau referierte Gérald Pilet von Sottas. Er zeigte auf, wie die notwendigen Arbeitsschritte direkt aus dem 3-D-Modell heraus programmiert und die Daten an die Maschine übergeben werden. Die gewonnen Daten finden auch bei Logistik und Montage Verwendung. Durch die Überwachung mittels Tablet oder Laptop werden Dokumentationen in Papierform überflüssig. Ferner berichtete er vom aktuellen Trend, spezielle Stahlbausoftware in gängige 3-D-Programme zu integrieren.

Einen wichtigen Beitrag zur Digitalisierung der Prozesskette leisten Zulieferer und Hersteller, wie Patrik Forster von der Debrunner Koenig Gruppe ausführt. In einer zentralen Produktdatenbank sind etwa 160.000 Artikel in 80 verschiedenen CAD-Formaten abrufbar und stehen damit für BIM-fähige Systeme zur Verfügung.

«Sind digitale Daten das neue Baumaterial?», lautete folgerichtig die Frage von Paul Curschellas, CIO und Mitbegründer von buildup. Für ihn gibt es keine Alternative zur Digitalisierung. Eine EU-Richtlinie sieht die BIM-Anwendung bei einer öffentlichen Vergabe per 2016 zwingend vor. Für das gleiche Jahr fordert Grossbritannien, kollaboratives BIM in allen Projekten einzusetzen. Im Deutschland wurde ein BIM-Leitfaden veröffentlicht, in Österreich legen verschiedene Normen den Einsatz von BIM fest.

Hierzulande ist der «Entwurf prSIA 2051 - Grundlagen zur Anwendung der BIM-Methode» in der Phase der Vernehmlassung. Das digitale Bauen vollzieht sich in zwei Stufen: erst digital, dann real. Eine wichtige Rolle spielt dabei die SwissBIMLibrary, die digitale Bauwerks-, Bauteil- und Bauproduktedatenbank. Auf diese Weise schaffen bessere Datengrundlagen für alle am Bau Beteiligten Transparenz und Effizienzsteigerung.

Der Steelday zeigte: Die Branche bereitet sich vor, die Technologie ist vorhanden, Investitionen stehen an.

Tags

Verwandte Beiträge